Das Leiberl und wie man es reißt

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 20/2016 zum 18.5.2016.

Liebe Frau Andrea,
 als treue Leserin Ihrer Falter-Kolumne habe ich nach vielen Jahren nun selbst eine Frage an Sie. Gerne verwende ich den Ausdruck „da reißt kein Leiberl“ (wie schreibt man das überhaupt?) um ein wenig erfolgversprechendes Vorhaben zu beschreiben. Woher kommt diese Phrase? Hat sie vielleicht sogar mit dem Laib zu tun? Ist man ein gemachter Mann oder eine gemachte Frau wenn man ein Leiberl gerissen hat? Ich freue mich auf Ihre Erklärung!
Liebe Grüße, Ulrike Pitzer, per Wolkenkabelbrief

Liebe Ulrike,

nach allgemeinem Sprachgebrauch der Wiener würde man den von Ihnen mitgebrachten Ausdruck “do reißd’ kaa Leiwal” schreiben. Hochsprachlich könnte man das übersetzen mit “da reißt (du) kein Leibchen”. Mit dem Laib hat das Leiwal, Leiberl nichts zu tun, denn Laib spricht man im Wienerischen Laab aus, wovon auch die kleinen Laibe, die Laberl kommen, etwa die Fleischlaberl, oder im Häfenjargon die Gschbaaßlawal (die Spaßlaberl), die Brüste der Damen. Am Fuaßboiblods (Fußballplatz) kennt man den Boin (den Ballen, den Ball) als Laberl.
Vom Kickplatz kommt auch unser Ausdruck. A Leiwal (ein Leiberl, ein Leibchen) hat, wer ein Trikot eignet und damit in der Mannschaft spielt. Wer kein Leiberl hat, sitzt auf der Ersatzbank oder muss andernorts tatenlos zusehen. Woher aber kommt das Reißen des Leiberls? Um ein Leiberl zu bekommen, muss man es sich hart erkämpfen, an sich reissen. Aus der Kickersprache kommend hat sich der Ausdruck allerdings schon verselbstständigt, meist wird er im negativen Sinn gebraucht – wer “ka Leiberl reißt” hat sprichwörtlich “keine Chance”. Gänzlich auf Solopfaden befindet sich indes das “Reißen”. Wenn jemand Chancen bei wem anderen hat (in der Regel bezieht sich das auf amouröse Möglichkeiten) spricht man wienerischerseits davon “an Riss”, bei jemand zu haben. Dazu, dies lehrt die Erfahrung, genügt es nicht, “an Staund” (einen Stand) auf diesen Jemand, diese Jemandine zu haben, also auf die Zielperson zu stehen.
Wer des Stehens leid ist, am Stand verzweifelt ist, das Leiberl nicht gerissen hat und auch niemals eines besessen hat kann immer noch jemand in die “Reißen” nehmen, sprich: Tadel und Schelte aussprechen.
comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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