Das Geheimnis des Brudschudel

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 17/2016 zum 27.4.2016.

Liebe Frau Andrea,
Die Mutter meiner niederösterreichischen Schwiegertochter nannte diese, als sie noch ganz klein war, “Brudschudl”. Was steckt dahinter? Vielen Dank für Ihre Aufklärung bezüglich dieses witzigen Wortes, das ich mit “hudeln” oder “patschert sein” verbinde. Was jedoch sicher nicht stimmt.
Liebe Grüße, Eva Bräuer, per Wolkenkabelbrief

Liebe Eva,

die gängigen Wiener Dialektlexika kennen keinen “Brudschudl”, auch die etymologische Spezialliteratur verweigert die Auskunft. Wir müssen also tiefer schürfen und “Brudschudl” in Hinblick auf Falschschreibung, Verhörung und irrtümliche Verwendung prüfen. Zerlegen wir den Ausdruck, erhalten wir Brud und Schudl. Wer oder was ist ein, eine Brud? Das Wienerische und seine Umgebungen kennen die Bruad, die Brut, damit wird in derber Sprache die Nachkommenschaft bezeichnet. Sehen wir uns nun “Schudl” an, beziehungsweise hören wir uns “Schudl” an. Klingt es nicht wie “Schurl”? So bezeichnet das Wienerische nicht nur den Namensträger Georg, sondern auch das männliche Glied. Unter “Schurln“, verwandt mit “scharren“ und “scherren“ verstand man das geräuschvolle Gleiten und damit den Koitus. Verstärkt wird diese Bedeutung durch die Hervorbringung des Gliedes: ”Dschuari“. So nennen bekanntlich Sprecher des Wienerischen das Sperma. Die Samenspende kommt nach Ansicht der einen vom tschechischen Wort “čurati“, pissen, nach Meinung der anderen von romani “djuuri“, Suppe. Der “Brudschudl” wäre demnach der “Bruadschurl”, der Brut-Scharrer, der Brut-Pisser. Das (mittlerweile seltene) kindersprachliche “Schudel” bezeichnet explizit Penis und Vulva, in ganz anderer Bedeutung einen nachlässigen, leichtsinnigen, meist weiblichen Menschen, bisweilen auch das übereilende Pferd. Können wir noch mehr Erkenntnis produzieren? Gewiss. Lesen wir die zweite Silbe ihres Familienausdrucks als “Tschudel”, ändert unser Bild abermals. “Tschudel” bezeichnet den Nadelbaumzapfen. Das Bairisch-Österreichische kennt Fichten-, Tannen-, Lärchen- und Zirben-Tschudeln. Hiezu gesellt sich die Möglichkeit, ein Kind als (tollpatschigen) Zapfen zu bezeichnen. Fehlt noch das “Brut” dieser Variante. Es ist das “Bratl”, der “Fratz”, das schlimme Kind.
comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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