Die Heilige Kuh

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 27.2.2016.

In Zusammenhang mit österreichischen Unantastbarkeiten wird gerne das Bild der Heiligen Kuh bemüht. Ohne jegliches Wissen um die Ursprünge dieser Metapher versteht man hierzulande, was gemeint ist, hat doch jeder ein Bild der Österreichischen Kuh vor sich. Sie steht im Stall, den sie wärmt und verstinkt, sie gibt Milch und gegebenenfalls wirft sie Kälber. Und sie erzeugt ein wertvolles Gut von minderer Geruchsschönheit: Mist. Festen und flüssigen. Auf festem Haufen publiziert der stolze Hahn, Gebieter über eine körnerpickende Schar eierlegenden Hausgeflügels. Auch auf dem Gebiete der Seelenreisen hat die österreichische Kuh Wertvolles geleistet. In ihren Fladen wachsen psychedelische Pilze, die legendären narrischen Schwammerln.

Heilige Kühe werden auch in Österreich nicht geschlachtet. Zumindest nicht, solange sie Milch geben und kalben. Gewissermassen ist Österreich selbst eine Heilige Kuh, deren Aufgabe die Heiligkeit selbst ist, das Produzieren von verwertbaren Ausscheidungen und das perpetuierte Hineingestelltsein in den Stall der Österreichischkeit, die einzige Fabrik, in der sich der Öse auskennt.

Die Kuh, auch die heilige, hat widerspruchslos genügsam zu sein, gleichzeitig aber zu produzieren. Wenn sie es richtig macht, die Kuh, ist sie die Generalproduzentin. Ihr Mist düngt die Wiesen, die sie – heugeworden – selbst verspeist, um Milch zu erzeugen – das weisse Gold der Molkereien, und Kälber – den Schnitzelrohstoff. Im panierten Rinderinfant dürfen wir das österreichische Opfer erblicken. Das Jungheilige, das den Sonntag vergoldet.

In der Regel tragen die österreichischen Kühe Vornamen aus dem großen Buch der weiblichen Onomastik – Resi, Thea, Liesl, Susi, Alma, Heidi, Berta, Bella. Nur mehr wenige Mahden trennen uns von der Zeit, in der Jenifers, Samanthas, Biancas und Schantals die Ställe bewohnen und die Almen begrasen werden. Dabei hätte das Land einen reichen Fundus an Heiligennamen, mit denen das heimische Nutzrind bezeichnet werden könnte: Banca, Privilegia, Financia, Corrupta, Krida, Grassa.

Ein Gedanke zu „Die Heilige Kuh“

  1. Danke für die gute Beobachten der österreichischen „Kulturlandschaft“. Freue mich schon auf eine Beschreibung der
    Hüter der Kühe, mit Cowboystiefel und rauchendem Colt.

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