Geographie

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 13.2.2016.

Österreich ist ein Verein. Seine Mitglieder sind die Bundesländer, österreichweit “Länder” genannt, um der länderweit verrufenen Vokabel Bund zu entkommen. Was auch immer in Österreichs Binnenverhältnissen schief läuft, stets ist es der Bund, dem Schuld zugewiesen wird. Hier vernehmen wir den fernen Hall monarchischer Machtverhältnisse. Wenn in Tirol die Milchkühe husteten, war Wien schuld, wenn die Drau über die Ufer trat oder auf den Waldviertler Äckern die Kartoffel verdorrten. Mit Wien war (und ist auch heute noch) die Zentralverwaltung gemeint, deren byzantinisches Beamtenheer und unausgesprochen der Regent und seine Einflüsterer. Wer auch immer gerade diese Posten bekleidete.

Die Länder Österreichs haben sich ihre Vereinsmitgliedschaft nicht ausgesucht. Teilnehmer am Vereinsleben sind sie aus Tradition. Tradition heißt, sie traten irgendwann in der wechselvollen Geschichte in ein feudales Betreuungsverhältnis durch die Familie Habsburg ein. (Dass auch andere Dynastien Tafeln für den Flügelaltar Österreich gemalt haben, verschweigt die nationale Mythenberichterstattung weitgehend.) Die Länder Österreichs sind also irgendwann habsburgisch geworden und damit österreichisch. Der Zusammenhalt durch geographische und historische Nähe war immerhin so stark, dass der Verein den Verlust des Monarchenfamilie und den Eintritt in ein republikanisches Regierungsverständnis mühelos verwand.

Mühelos? Weder sichtbar noch scheinbar. Lebt doch der Monarch im Land munter weiter. Sein Avatar ist der Landeshauptmann, in Habsburgerzeiten noch ein verdienter und treuer Vasall. So verdient, dass man ihm ein ganzes Land zur Verwaltung übergeben konnte, so treu, dass man keine Sezession und dynastischen Ambitionen befürchten musste. “Man” war in diesem Falle der jeweilige Chef der Casa d’Austria. Der Landeshauptmann, war der Vertreter des Monarchen, der Herzogstellvertreter, der Vizefürst, der deputierte Kaiser. Ein mächtiger Mann, dieser Hauptmann des Landes. Verschwunden ist der Monarch. Im Land geblieben sind Macht und Männlichkeit.

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