Fasching

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 23.1.2016.

Die närrische Zeit, schon in der Antike ein gesellschaftliches Ventil zur symbolischen Gleichstellung von Oben und Unten, Reich und Arm, hat auch Österreich fest im Griff. Eine wichtige Komponente in diesem Spiel ist der Rollentausch. Sekretärinnen verwandeln sich in Prinzessinnen, Sachbearbeiter steigen in das Piratenkostüm, Lebedamen legen den Schwesternhabit an und Automechaniker verkleiden sich als Wahrsagerinnen. Gemeinhin sind die Wunschkostüme Repräsentanten eines verborgenen Ichs, stellen geltende Lebensentwürfe in Frage und projizieren Verwirklichungsträume auf eine (meist schlecht geschneiderte) zweite Haut. Nicht selten geraten Faschingsbälle auch zu Outings. Unfreiwillige wie beabsichtigte. So manche Karriere als Luder nahm ihren Ausgang auf einem Gschnas. Charleys Tante, eines der beliebtesten Kostüme biederer Familienväter, hört sich nicht zufällig wie “Charleys Tunte” an.

Die Frage nach der Vektorrichtung der Verkleidungsinteressen ist berechtigt. Sind unsere Alltagskleider Ausweis unserer Identitäten oder verhält es sich umgekehrt? Verkleiden wir uns das ganze Jahr, um zur Faschingszeit unsere Normalkostümierung anzulegen? Ist der Karneval die Regel und das restliche Jahr die Ausnahme? Vieles spricht für letzteres. Besonders im Land des Lei-Lei.

Schauspielende, Musikanten und anderes Showpersonal ist von diesen Betrachtungen explizit ausgenommen. Wer sich berufsbedingt in andere Schale wirft, hat keine gesteigerte Lust, dies auch im Karneval zu tun. Ähnliches gilt für Uniformierte. Die Regel gilt: Je bunter der professionelle Goldfasan, desto weniger ausgeprägt ist sein Wunsch nach schreiender Maske. Einen bleibenden Höhepunkt der Konterkarierung dieses Prinzips haben die beiden Entertainer David Bowie und Tilda Swinton damit manifestiert, sich für ein Foto als die/der jeweils andere zu verkleiden.

Die Steigerung dieses Verkleidungsextrems läge vor, sich ganzjährig als sich selbst zu maskieren. Indes: Wer hätte diese Größe!

Ein Gedanke zu „Fasching“

  1. Wie gut, liebe Andrea Dusl, dass Sie beide so gelungen verknüpfen: Kluge Texte mit zeichnerischer Hochbegabung. So jedenfalls empfinde ich das beim jeweils interessierten Blick in die SN, wo ich dann – soeben erfrischt mit feinen Kommentaren – an meine weiteren Sonntagsvergnügungen herangehen kann.

    Inhalt FASCHING. Erstaunlicherweise würde ich persönlich nur dann eine Faschingsfeier besuchen wollen, wenn ich etwas besäße, das mich wirklich unkenntlich macht. Der Aufwand ist schlicht zu groß und zu teuer.
    Also lasse ich das und widme mich Erbaulicherem…
    Letzter Passus: „Die Steigerung…“ gefiel besonders.

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