Angstfidel

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Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 26.9.2015.

Seit Wochen das selbe Lied. Die einen haben Angst vor Flüchtenden. Die anderen haben Angst vor den solcherart sich Ängstigenden. Deren Furcht wird verstärkt durch die Angst vor jenen, denen Flüchtende keine Angst machen und die ihnen Mineralwasser und Babynahrung zustecken. Die sie vom magyarischen, slowenischen oder kroatischen Erdboden auflesen und mit dem Auto in Sicherheit bringen. Und dann zum Zug. Die sie im Gästezimmer schlafen lassen, ihnen ein Abendessen kochen, ein Frühstück gar. Die ihnen Schuhe schenken, ein Stofftier und eine regendichte Jacke.

“Invasionskollaborateure” werden die Helfenden neuerdings geheissen und sind doch nur Menschen. Gute Menschen. Normale Menschen. Menschen, die mit ihren Ängsten produktiv umgehen. Die Handeln statt zu hetzen.

Das darf nicht sein. Und weil Hetze auch ein Geschäft ist, ist Gutsein böse. Denkt das jemand durch in Kicklland? In einer Welt, in der Helfende “Invasionskollaborateure” sind, wären Feuerwehrleute “brandlüstern”, Ärzte “Krankheitsprofiteure” und Angehörige von Pflegeberufen “zuneigungspervers”. Die blaue Liste gutmenschlichen Versagens liesse sich beliebig fortsetzen.

Dass die Flüchtenden von Angst getrieben werden, spielt für die Ansässigen und Anständigen naturgemäß keine Rolle. Weil nicht sein darf, was offensichtlich ist, sind die Ankommenden und Durchreisenden Täuscher und Tarner. Und wenn schon Mineralwasser und Babynahrung zuviel des Guten sind, wie der Überfremdungsdiagnostiker meint, dann erst recht Gefühle der Angst. Angst ist was Inländisches, sagt der Strachist, der Flüchtling hat das nicht zu haben. Ist er doch kein solcher, sondern nur trügerischer Wirtschaftsmigrant. Seine Sehnsucht ist das Schlaraffenland. Hier will er sich breit machen, hier will er sich in die Hängematte legen, den Sozialstaat auszutzeln, sich mit Kind und Kegel gemütlich machen. Auf Kosten der Ansässigen, der Anständigen und Arbeitswilligen.

Der Strachefeldzug ist in vollem Gange. Keine Angst. Nur Angstlosigkeit wird ihn stoppen. Und Menschlichkeit.

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