Wie Österreich funktioniert

Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten 014 Jg.70, vom 18.1.2014.

Leadership ist das neue Zauberwort. Es fängt mit demselben Buchstaben an wie „leistungsorientiert“, wie „langfristig“, wie „lohnkostensenkend“. Leadership (ausgesprochen „Liederschipp“) wird nicht diagnostiziert, Leadership wird eingemahnt. Das Vokabel wird immer dann in Stellung gebracht, wenn Leadership nicht vorliegt. Einem großen Sohn der Hinterbrühl wird solches momentan vorgeworfen. Das angloamerikanische „Leadership“ zirkuliert unter anderem deswegen in Dauerpenetranz, weil die deutsche Bezeichnung „Führerschaft“ aus mehrheitlich begreiflichen Gründen keine Konjunktur hat. Zwar gibt es einen Führerschein und den Beruf des Kranführers, aber Führer gibt es nicht (mehr), und das ist gut so.
Es wird also Leadership eingemahnt. Damit wird die vermeintliche Tugend der Entscheidungsfähigkeit verbunden, das schillernde Talent, die Welt und ihre Forderungen in Ja und Nein zu teilen. Aber die Welt ist kein Ja-Nein-Theater, die Welt ist nicht schwarz und weiß, sie ist bunt und grau zugleich. Es gibt nicht Nacht und Tag in Ausschließlichkeit, es gibt auch die Dämmerung. Österreich ist so ein Dämmerungszustand. „Schau ma mal“, gilt als beredte Antwort auf jegliches Begehr. Es bedeutet weder Ja noch Nein, ja nicht einmal die Mitte zwischen den beiden Aggregatzuständen des Handelns. Das Aussprechen dieser Erkenntnis hat schon Bundeskanzler zu Fall gebracht. Fred Sinowatz’ Diagnose, es sei „alles sehr kompliziert“ wurde dem promovierten Geisteswissenschafter zum Verhängnis. Hätte er gesagt, es sei doch „alles ganz einfach“, hätte man ihm Leadership attestiert. Nun gut, das Wort war damals noch nicht unterwegs. Leadership-affine Charaktere nördlich des Weißwurstäquators nehmen das österreichische „Na ja“ als Problem wahr. Italiener oder Griechen könnte man mit einer anderen Antwort als Ja oder Nein nicht schrecken. Schon der Philosoph Platon postulierte, dass zwischen den Begriffen „wahr“ und „falsch“ ein dritter Bereich liege. Die Mathematik nennt das Österreichisch-Platonische schlicht „fuzzy logic“.

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