Der Provinzpalast

Was bleibt von den ersten zehn Jahren Wiener Museumsquartier? Bevor kommende Woche die verfrühten Jubiläumsfeiern zum Geburtstag am 30. Juni starten, schreibe ich als eine von fünf Wegbegleitern und Stadtbeobachter über „ihr“ MQ.

Andrea Maria Dusl in Die Presse vom 30.4.2011.

Am Anfang war die Show. Sie war benannt nach dem coolsten Burschen des Universums – Jochen Rindt. Und jedes Wiener Kind war dort, in Dornröschens Messepalast, sah das schnellste Auto der Welt, sah den Lotus, sah die anderen Sportwagen. Und wenn es Glück hatte, sah es ihn selbst, sah Jochen Rindt und seine Prinzgemahlin, Nina Rindt.

Die Jochen-Rindt-Show war besser als ein Beatles-Konzert. Das muss man wissen, wenn man verstehen will, von welcher Liga wir hier sprechen, warum dem Messepalast, dem Museumsqartier, die seltene Eigenschaft innewohnt, als cool zu gelten. Kein anderer Museumsbau in der Stadt ist cool. Nur das Muqua ist es. Und dies ausschließlich deshalb, weil eine Generation von Wienern hier von Jochen Rindt und seiner Show wachgeküsst wurde. Eligibel gemacht für den devianten Palastbesuch.

Das MQ, das Muqua, wie es genannt werden will, um sich in eine Reihe mit dem Moma zu stellen, ist ein Ort, an dem die Internationale auf den staubigen Boden der Provinz kracht. Seine Geschichte ist die Geschichte dieser Einschläge. Mal war es Pferdestall, mal Messehalle, mal Theaterbühne, mal Partyhöhle. Mal war es Autoscheune, mal tote Hose. Jetzt macht es auf Museum.

Ohne Turm, mit Aperol-Spritz. Seit Jochen Rindts Sportautosalon komme ich nicht mehr so oft in den Messepalast. Vielleicht hat das auch ein bisschen mit der verworrenen Geschichte seines Ausbaus zu tun, vielleicht mit der Politik seiner Palastleitung, vielleicht ist mir das alles nicht cool genug. Vielleicht fehlt mir der Turm!

Vielleicht gehen mir die Bobos und die Möchtegernbobos auf den Nerv, die sich hier mit Mojito und Aperol-Spritz imprägnieren, den Nachwuchs im Buggy schaukeln und per Laptop in ihrem Facebook-Profil herumturnen. Vielleicht geht mir auch das Museum des Augenarztes auf den Nerv, es ist ein provinzieller Kasten, der nicht Klimt und Schiele dient(e), sondern dem Ego des Aquisiteurs. Aber es gibt auch Orte im Muqua, die mir gefallen. Das Glacis Beisl gefällt mir, weil es mich an das alte Glacisbeisl erinnert. Die Enzis gefallen mir, wegen ihrer radikalen Form und wegen der Namenspoesie ihrer Jahresfarben, wegen Schwimmbadblau, Freudliegenrot und Fastaustriaviolett. Der Musiktank in der Galerie gefällt mir, wegen der Möglichkeit, dort antiquarischen Ösi-Rock auf CDs brennen zu lassen. Das Milo mag ich, wegen seiner türkischen Fliesen und der Betonziegelwand hinter der Bar. Das Architekturzentrum mag ich, wegen Dietmar Steiner und wegen Jan Tabor. Und Mareks Garage mochte ich. Wer sie kannte, weiß, wovon ich spreche.

Und den Hof mag ich. Wenn er leer gefegt ist, weil es zu kalt ist, oder zu windig, oder zu wenig bobo. Wegen der kleinen Abweichungen vom Pflichtenheft mag ich den Muqua-Messepalast. Und wegen der Jochen-Rindt-Show.


30.04.2011 | 18:20 | (Die Presse) http://diepresse.com/home/panorama/wien/654484/Fuenf-Stadtbeobachter-ueber-ihr-MQ

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