Orange, Melange, Cottage

Liebe Frau Andrea,
auf dem Display meines Mobiltelefons steht seit kurzem „Orange A“, mein Mobilfunkbetreiber hat, so scheint es, ein paar Buchstaben zu seinem Namen dazubekommen. Soweit so klar. Jedoch weiß ich nicht, wie ich „Orange“ richtig ausspreche: wie die Farbe, die Frucht, ist Englisch oder Deutsch angebracht? Und wo wir gerade dabei sind: Wie bestelle ich im Kaffeehaus eine „Melange“ richtig, und wie muss man das Cottage-Viertel (in welchem ich zuhause bin) sprechen? Vielen Dank für die Aufklärung,
Melanie T. aus Döbling, per Elektropost
Liebe Melanie,
Ihr Funkanbieter hat nur scheinbar Buchstaben dazubekommen, tatsächlich ist er vom Mobilfunkflügel der France Télécom geschluckt worden. Mit der Herkunft des neuen Besitzers beantwortet sich die Frage nach der Aussprache nicht wirklich, denn das neue “one” wird nicht französisch ausgesprochen, wie die Frucht, sondern englisch, wie die kultigen britischen Gitarrenverstärker: Oränsch. Obwohl Orange einem französischen Konzern gehört, ist die Marke aus dem britischen Funktelefonisten Orange plc entstanden. Für die Aussprache hier in Österreich dürfte aber weniger die Gründungsgeschichte des Unternehmens sprechen, als der anglophone Grundtenor im Ösi-Händi-Bisnis. Den hellbraunen Milchkaffee, der in Österreichs Kaffeehäusern kredenzt wird, wollen Sie bitte nicht französisch aussprechen, wie mélange, die Mischung, sondern wienerisch: Mellaosch. “A Mellaosch, bidde!” Das Cottageviertel, kurz “die Cottage”, jenes exklusive Villenviertel beiderseits der Hasenauerstrasse, zu etwa gleichen Teilen in Döbling und Währing gelegen, besteht aus noblen Gründerzeithäusern im englischen Landhausstil und müsste nach allen Regeln der sprachlichen Vernunft englisch adressiert werden, cottage, Kottätdsch, Dorf, nach seinem baulichen Programm als englisches Dorf. Tatsächlich wird “die Cottage” aber von Bewohnern wie Besuchern pseudo-französisch ausgesprochen: Koteesch. Den Gipfel der schlechten Aussprache erklimmt aber die Wiener Version jenes Möbelstücks, das die Franzosen als chaiselongue, langer Stuhl kennen. Die Rokokoliege ist den Wienern als Schesslóh ans Herz gewachsen.

Für meine Kolumne ‚Fragen Sie Frau Andrea‘ in Falter 40/2008
www.comandantina.com dusl@falter.at

2 Gedanken zu „Orange, Melange, Cottage“

  1. Verehrte Frau Andrea!
    Der Büro-Zwist um die korrekte Schreibweise des Artikels zum Cottage-Viertel , nämlich ‚die Cottage‘ (Kotteeesch) oder ‚das Cottage‘ (Kottetsch) trieb mich in Ihre Arme und zu einem Statement dazu aus 2008, Falter 40.
    Dort steht, was ich auch dem Internet entnehme, daß die Bewohner das Viertel angeblich nasal französisierend aussprechen, demgemäß ‚die‘ sagen.
    Nun, seit fast 53 Jahren bin ich Döblingerin, leider nicht in selbigem Viertel ansässig (ich spare noch 😉), aber doch in der Nähe. Ich bin am Rande des Viertels in die Schule gegangen, hatte also zahlreiche Sprösslinge aus dem Viertel um mich. Diese, wie auch meine Döblinger Omama, sprachen es englisch aus (was ja, wie Sie in dem alten Artikel richtig festhielten, auch der konzeptuellen Orientierung am engl. Gartenhaus ‚Cottage‘ entspricht). Die französisierende Aussprache begegnete meinen ungläubig-amüsierten Ohren erst im Erwachsenenalter und da immer wieder mit dem Hinweis, ‚die Bewohner des Viertels‘ sprächen es so aus. Ich halte das für Fake News. Und bin etwas verunsichert, daß Sie – meine Instanz in solch schlüpfrigem Terrain – das auch so sehen. Meine Theorie lautet: Die übrigen Wiener, die ja die Döblinger – nicht ganz unberechtigterweise – für arrogante Schnösel halten, glauben, daß diese Snobs alles französisch aussprechen, damit es ‚foiner‘ klingt. So wie man ja Wienweit in meiner Jugend-Erinnerung auch das Belvedere französisiert aussprach und erst in den letzten Jahren sich die korrekte italienische Aussprache durchsetzt, sogar bei den Straßenbahn-Durchsagen (gut, die sagen allerdings auch Paradiesgasse zur Paradisgasse, bin fast vom Straßenbahnsitz gefallen vor Lachen!). Die Döblinger sind aber scheinbar informiert genug, um zu wissen, daß das Wort englischen Ursprungs ist. Sie sprechen auch das Café Cottage (weit weg von diesem Viertel) englisch aus. Oder lebe ich die ganze Zeit in einer Kottätsch-Blase?

    Mit Bitte um Ihre kompetente Stellungnahme, herzlich

    Beatrice Eipeldauer

    1. Liebe Frau Eipeldauer,

      ich darf als Referenz einen örtlichen Bezug vorweisen. Ich bin gebürtige Döblingerin. Wichtiger noch: Meine Ururgroßeltern, Urgroßeltern, meine Großtanten und Großonkel, und mein Großvater wohnten im Cottage, Sternwartestraße 39. https://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/content/pageview/2273262?query=scheimpflug Selbstverständlich haben sie das Viertel englisch ausgesprochen. In der besseren Gesellschaft hörte man indes eher die falsche französisierende Aussprache. Frei von Klassendünkeln gebe ich nur Wahrnehmungen wieder. Erodiert wird diese Haltung allerdings in Bezug auf Stadteilnehmern aus dem „Bürgerlichen Milieu“. Die hörte ich in den letzten Jahrzehnten ausschließlich „Kotäääsch“ sagen. Ob die dort wohnten, sonstigen Döblinger Aufenthalts waren, oder ganz wo anders lebten, vermag ich nicht zu sagen. Dass Döbling Snobs und anderen Neugeldadel ohne Sprachbewusstsein anzieht, ist so evident wie bedauerlich.

      Beste Grüße,
      Andrea Maria Dusl

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