metaphysics ::: Glaube

Nicht erschienen in .copy März/2007


Dieser Text für die 07-Frühjahrsausgabe des Magazins .copy wurde nicht abgedruckt. Die Inhalte wären Telefoniekonsumenten nicht zuzumuten, hieß es. Genaueres war nicht zu erfahren. Ein seltener Fall von Zensur.

Glaube.jpgDas Wort ‘Glaube’, verwandt mit dem Begriff “geloben”, hiess im frühen Mittelalter ‘ga-loubjan’ und hatte die Bedeutung “vertrauen”. Wem oder was wurde vertraut? Gott, oder gar Göttern? Weit gefehlt. Wenn wir das Wort ‘Glaube’ ins Mittelalter zurückwerfen, zerfällt es in Begriffe, die heute ge-lauben, Ge-Laube, Ge-Lobe heissen müssten. Hat der Glaube also mit dem Lob zu tun? Die Antwort ist kurz und simpel – Ja. Der Glaube ist – sprachlich gesehen eine Art Lob. Klingt seltsam, ist es auch. Denn das Lob ist etymologisch betrachtet keine Belohnung sondern ein Köder. Noch heute werden Preise, Wettbewerbe, Stellen ausgelobt.

Das Wort Lob, in unserer Betrachtung soviel wie Köder, Angebot kommt von einem anderen vertrauten Begriff: dem Laub. Einfachen Blätterzweigen. Die Etymologen vermuten, dass die Begriffskaskade, die zum hehren Ausdruck “Glaube” geführt hat im Wort für Laub entspringt und in der Frühzeit der indoeuropäischen Sprachen nicht weniger bedeutete, als das Vieh mit Laubbüscheln anzulocken. Schmackhaften natürlich. Der Glaube wäre demnach jene Zutraulichkeit, die gefüttertes Vieh, geästes Vieh entwickelt. Glaube wäre also Zutrauen. Nahrung. Eine Erklärung, der sich Atheisten wie Theologen gleichermassen anschliessen können.

Weniger Freude dürften die Theologen und Kirchenleute mit den modernen Erkenntnissen über die physiologischen Grundlagen des Glaubens haben. Lange Zeit wunderten sich Ärzte, warum Nonnen und Mönche überdurchschnittlich oft an Schläfenlappenepilepsie erkrankten. Kam das vom Beten? Oder gar umgekehrt? Die Korrelation von Erleuchtung und Epilepsie war nicht erklärbar. Bis sich eines Tages bei der Gehirnuntersuchung eines religiös unauffälligen Patienten ein seltsamen Effekt manifestierte.

Wurde die Schläfenlappenregion des Patienten mit einer Sonde elektrisch gereizt, berichtete er über tiefe Gefühle des Einseins mit Zeit und Raum, von grosser Gottesnähe und hellem Licht, von allgemeiner und durchdringender Verzückung. Symptome, die stark an die Verzückungen erinnerten, mit denen spirituell Erleuchtete aller Religionen ihre Begegnung mit dem “Höheren Wesen” berichteten.

War nicht auch Paulus, der Chefideologe des frühen Christentums, Epileptiker gewesen? Die Berichte des Evangelisten Lukas über die Umstände von Paulus’ Erweckungserlebnissen sind starkes Indiz dafür. Ist der “Heilige Geist”, die “Erleuchtung” nichts mehr als ein neurologisches Feuerwerk im menschlichen Schläfenlappen? Buddha, Moses, Johannes, Jesus, Jean d’Arc – Opfer von schrägen Vorgängen im den seitlichen Hirnregionen?

Direkt ins religiöse Eingemachte geht der amerikanische Genetiker Dean Hamer. Er hat Erbinformation isoliert, die direkt für die religiöse Empfänglichkeit verantwortlich sein soll. Das Gottes-Gen hat den sachlichen Namen ‚Vmat2‘. Nach Hamers Hypothese sollen die Träger dieses Protein-Codes für Erlebnisse zugänglich sein, die sie als mystische Erweckung, Erleuchtung, Einswerdung mit dem Universum interpretieren. ‚Vmat2‘ – das ein-Gott-Glauben-Gen, das Licht der Welt, die Stimme Gottes?

Starker Tobak für religiös Zartbesaitete. Die Fähigkeit, zu Glauben hätte für unsere steinzeitlichen Vorfahren evolutionär einen Vorteil gehabt, erklärt Hamer, und sei deswegen bis heute vererbt worden. Der biologische Mechanismus: Spirituell glücksdurchströmte Menschen neigen zu grösserem Lebensglück und setzten mehr Kinder in die Welt, als ihre atheistischen Brüder und Schwestern.

Wie auch immer: Die ersten religiösen Spuren haben Forscher in Gräbern der Neandertaler gefunden. Bereits vor 60.000 Jahren sollen die nahen Verwandten der modernen Menschen ihren Toten Beigaben ins Grab gelegt haben. Ob die grobschlächtigen Jäger Träger des Gottes-Gens waren, muss erst herausgefunden werden.

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