Zeit ist Geld

Kirova-Uhr.jpgLiebe Frau Andrea,
letztens an der Billakasse: Die Kassierin zog meinen Einkauf mit 160 km/h über die Laserleuchte und stapelte ihn auf der kleinen Ablage hinter dem Band. Ich kam mit dem Einsackeln gar nicht nach. Sie müsse das nicht so schnell tun, meinte ich, doch, müsse sie, meinte sie, Anweisung von Oben. Aber ich müsse das nicht, entgegenete ich, beim mir gäbs kein Oben. Darauf schob die Kundin hinter mir ihre Frühstückszeralien gegen meine Milchpackerln und herschte mich an: “Tuan’s weiter, Zeit ist Geld”. Was soll man denn da sagen?
Ines Zirbensäger, Margareten
Liebe Ines,
mit dem schönen Satz “bei mir gibts kein Oben” haben Sie Ihr Arsenal an argumentativ hochstehenden Antworten für Billakassierinnen fast ausgeschöpft. Die Arme kann nicht viel für die Eile, die in ihrem Laufrad herrscht. Ein Empfehlung der Lektüre von Marx und Engels oder einer frischeren Arbeitnehmerschrift tun aber immer ihr Gutes. Problematischer scheint mir da doch das Zitat der am neoliberalem Denkparkett tanzenden Kundin hinter Ihnen. Hier könnte man entgegnen: “Zeit ist Geld? Meinen Sie, geehrte Getriebene? Zeit, dieser durch Abstraktion herausgehobene Verlaufsaspekt der veränderlichen Zustände der Realität? Das erlebte Vergehen von Gegenwart? Die Begriffswolke, die kausal verknüpfbaren Ereignissen und Handlungen eine Reihenfolge zuregnet? Diesem Mysterium soll Tand von Menschenhand gleichkommen? Aber gengan’s!”
www.comandantina.com dusl@falter.at
Für Falter 09/2006

2 Gedanken zu „Zeit ist Geld“

  1. das waren zeiten, als die kundin noch königin war – ganz abgesehen davon, dass es in wien aus rätselhaften gründen stets „die kunde“ heißt. bei BILLA haben weder kundinnen noch kunden was zu reden. mich ärgert am meisten in dem mir nächsten BILLA das kurze glasstück, auf dem sich bereits gekauftes unvermeidlich stapelt und rückstaut – andere supermärkte haben mehr platz zum auffangen und umräumen.
    im übrigen bewegen kassierinnen in summe zentner und tonnen über die scanner.

  2. Liebe Frau Andrea, liebe Ines,
    Lange könnte ich mich über die Servicewüsten die hier gemeinhin als Supermärkte bezeichnet werden, auslassen, zumal es nicht nur in Sozialwüsten (USA) üblich ist, die erstandenen Waren gleich im Sackerl-quasi prét-à-porter-zu bekommen. Nein, ich meine jetzt auch nicht die Oase am Graben, sondern Länder wie Australien. Nun ja, man wird ja wohl noch von Friede, Freude und Eierkuchen traeumen duerfen.
    Doch wir haben es auch in der Hand, die Kassierinnen-Armee am Voranschreiten zu hindern. Das Geld. Nein, ich will nicht, dass wir nun alle am Graben einkaufen gehen. Aber Sie brauchen’s erst herzugeben wenn Sie mit dem Einpacken fertig sind. Und wenn Sie grade für ein verlängertes Wochenende und drei Leute einkaufen, denken Sie dran, den Kunden mit der Wurstsemmel und dem Cola vorzulassen.

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