Schwatteln

In Falter 27/03 vom 02.07.2003.

Liebe Frau Andrea,

bei der Lektüre eines Textes von Eduard Mörike stieß ich kürzlich auf ein Wort, das ich seit meiner Jugend nicht mehr gehört, geschweige denn verwendet habe. „Schwatteln“ hieß es dort für die rasche, horizontale Fortbewegung eines Menschen zu Fuß. „Schwatteln“ war – wie geschrieben – in meiner Jugend eine durchaus gängige Vokabel. Meine Fragen daher: Woher kommt es? Warum ist es in Vergessenheit geraten? Wie könnte man es wieder beleben? Ohne Mörike!

Mit freundlichen Grüßen,
Josef Dollinger, Neubau

Lieber Josef,

ganz ohne Mörike kommen wir der Sache nicht näher. Der schwäbische Biedermeierdichter verwendet das lautmalerische Verb in seiner Novelle „Mozart auf der Reise nach Prag“: „Zurück (…) mit (…) übervollen Herzen – es schwattelt ganz von Reiseglück und Freundschaftsungeduld“, heißt es da. Obwohl das Wort auch im Salzburger Raum in der von Ihnen wieder entdeckten fußgängerischen Bedeutung verwendet wird, dürfte es wohl aus der Heimat Mörikes stammen und mehr mit dem „Schwappen“ verwandt sein als mit dem „Watscheln“. Das Schwäbische kennt das „Schwatteln“, das „Schwappen von Flüssigkeiten“, und im Oberpfälzischen wurde früher der Durchfall, der flüssige Retourhunger der Rinder, nicht unprosaisch als „schwatzen“ bezeichnet. Wenn wir gar die etymologische Pandorabüchse der indoeuropäischen Wörter öffnen, schwatteln uns Begriffe entgegen, die alle mit einer Silbe sue(i), in der Bedeutung „biegen, drehen, schwingen“, beginnen. Das Altisländische kennt das Verb „svatha“ (gleiten), das bei uns noch in der „Schwade“ oder dem „Schwafeln“ steckt. Es wäre also nicht falsch, davon auszugehen, dass das „Schwatteln“ einen schwappenden, gleitenden Gang bezeichnet.

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