Krethi und Plethi

In Falter 17/03 vom 23.04.2003.

Liebe Frau Andrea,

kennen Sie Krethi und Plethi? Meine Freundinnen sprechen oft von denen, aber wenn ich nachfrage, wen sie genau meinen, lachen sie mich aus. In Wien scheint die beiden jeder zu kennen, aber ich bin ja zugewandert. Bitte helfen Sie mir!

Magdalena Schneider,
Wien/Berlin

Liebe Magdalena,

als gebürtiger Wienerin sind mir Harald Krethi und Babsi Plethi und ihre weit verzweigte Entourage keine Unbekannten. Sie tauchen stets mit ihresgleichen auf, und selten ist es beobachtet worden, dass sich irgendjemand ihres Besuches gerühmt hätte. Genau genommen existieren Krethi und Plethi nicht als leibhaftige Personen, zumindest wird man im Telefonbuch und im zentralen Melderegister vergebens nach ihnen suchen. Von Krethi und Plethi wird immer dann gesprochen, wenn es gilt, ein Publikum zu bezeichnen, für die auch die Ausdrücke Hinz und Kunz beziehungsweise Gschaftl und Huber nicht unangebracht wären. Tatsächlich sind Krethi und Plethi biblische Gestalten. Wir finden sie erstmals im Alten Testament im 2. Buch Samuel 8, 18. Dort wird von der Leibwache König Davids gesagt, sie seien Krethi und Plethi. Bibelexegeten gingen lange davon aus, dass mit Krethi der Volksstamm der Südphilister und mit Plethi jener der Nordphilister gemeint wären. Im Hebräischen allerdings bedeutet „krethi“ „ausrotten, töten“ und „plethi“ „entfliehen, forteilen“. Krethi und Plethi sind demnach wohl die Scharfrichter und Eilboten des Königs gewesen. Von beiden Tätigkeiten dürfen wir annehmen, dass sie beim Volk gefürchtet, zumindest aber unbeliebt waren. Mit Leuten solch üblen Leumunds wollte man spätestens zur Zeit Luthers – in dessen Bibelübersetzung Krethi und Plethi nicht fehlten – nichts zu tun haben, sodass der Ausdruck seit dem 16. Jahrhundert in unseren Breiten üblich wird.

Wenn auch Sie unbeantwortete Fragen haben, elektromailen Sie Frau Andrea: dusl@falter.at

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