Polemik und Süffisanz

In Falter 15/03 vom 09.04.2003.

Liebe Frau Andrea,

immer wieder denkt mein Hirn über die vielen Namen dessen nach, was in Österreich nicht geht und nicht sich ereignet. Nun haben wir in einer Art gemeinsamen Brainstormings herausgefunden, wie vielfältig dieser Bereich benannt wird: Zynischsein, Satirischsein, Ironischsein. Sodann entdeckten wir das Sarkastischsein. Und alles dies haben Sie uns Leserschaft mit wundervoller Grandezza erläutert. Nun aber gibt mein Hirn keine Ruhe – und in der Hirnschale stand plötzlich das Polemischsein. Kurz danach kam mir dann noch das Süffisantsein auf, das klingt auch so, als gehörte es hierher. In herzlichster Dankbarkeit bin ich Ihr ergebener

Franz Rand in Hollabrunn (alias Hermes Phettberg)

Lieber Franz,

zuletzt erörterten wir die These, die Mehrheit der Österreicher gefalle sich darin zu dienern. Da den Domestiken die Zeit und das Talent zu Ironie, Satire und Zynik weitgehend fehlen, himmeln sie einen Berufsstand geradezu hündisch an, der diese anarchisch-philosophischen Tugenden hauptberuflich betreibt: die Kabarettisten. Etwas billiger verhält es sich mit dem Sarkasmus, den wir der Verwandtschaft mit dem Wadlbeißen überführt haben. Des Nörgelns, der mindersten Sorte des Zubeißens, sind sogar die Zahnlosen unter den Livrierten fähig. In Dienst und Uniform stehen auch die willfährigsten aller Untertanen, die Soldaten, denen das Aufmucken gänzlich fremd zu sein hat. Ihr Spott hingegen ist handfest und derb: Die Polemik kommt von pólemos, dem griechischen Wort für Krieg. Ihrer Hirnschale, lieber Franz, entnehme ich schließlich den traurigsten aller Spotte, die Süffisanz, den selbstgefälligen Dünkel der Beamteten, der seine Nämlichkeit vom lateinischen Wort für „darunter tun“ ableitet. Wenn nun die Polemik ein Bajonett wäre, das einen fremden Sack Stroh aufschlitzte, dürften wir die Süffisanz darin erblicken, auf einen Aktendeckel das Wort „Erledigt“ zu schreiben.

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