Randfrage

Falter 11/2003 vom 12.03.2003.

Liebe Frau Andrea,

immer wieder werden Vorwürfe laut, wir seien ein Bauern- und Domestikenstaat, und kennten kein Ironischsein. Jetzt gibt es aber neben dem Ironischsein auch noch Satirischsein und Zynischsein. Was ist davon wann was?

Frägt bedrückt Franz Rand aus
2020 Hollabrunn (alias Hermes Phettberg)

Lieber Franz,

auch ich erhebe den Vorwurf, das Land der Hämmer befände sich in der Geiselhaft des Personals. Das Denken ist ein Luxus, den ein Diener nicht vorrangig begehrt, brächte es ihn doch um die Früchte seiner Gier. Die Bilder, derer sich die politische Sprache Österreichs bedient, stammen daher alle aus dem frugalen Milieu: Sie illustrieren den bäuerlichen Streit um Futtertröge, Erbpachten und Pfründe, das Trockenlegen feuchter Wiesen, das Ernten und das Ausmisten. Auf Höfen wird allerhöchstens an etwas gedacht, nie jedoch über etwas nach. Die Ironie, lieber Franz, die Philosphie jenes feinen Spotts, der sich hinter scheinbarem Ernst versteckt, ist den Österreichen schon deswegen suspekt, weil ernsthafter Schein für Domestiken heller strahlt als scheinbarer Ernst. Noch unheimlicher ist den Österreichischen die Satire, die bocksfüssig-saturnalische Verspottung der Überforderung. Auch die dritte Verhöhnungstechnik ist griechischen und damit teuflischen Ursprungs. Sie stammt aus der Denkschule der Zyniker, wörtlich der “hündischen”, “bissigen” (von kyon, der Hund). Diese, vom Philosophen Antisthenes begründete Schule zu verstehen lässt ein Domestikenherz schon gar nicht zu. Wie man nun Ironie, Satire und Cynique unterschiede? Die Präambel zur Verfassheit des Landes würden die drei spöttischen Denkschulen wohl so formulieren:

“Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.” (Ironie).

“Österreich ist eine demokratische Republik?” (Satire).

“Österreich.” (Zynismus).

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