Ei, Ei


Falter 20/97, 14.5.1997

Und es begab sich, daß gerade Samstag war und Nachmittag, mein Eiskasten vor Leere gähnte und seine Besitzerin mit knurrender Stimme zum Nahversorgungsimperialisten Billa schickte. Eier, waren seine Worte, hol mir Eier! Die Eiskastenbesitzerin hirschte also, wie ihr befohlen, ins Paradies der Nahversorgung, Milch und Semmerln kaufen, Putenpariser und: Eiskastens geliebte Eier. „Tierschutzgeprüft und frisch“ beschrieb sie das Etikett, von „freilebenden Hühnern“ gelegt, „aus biologischer Landwirtschaft“. Mein Eiskasten war zufrieden. Er weckte mich Sonntag spätvormittags nach ausgiebigem Kühlen mit stolzen Brummen und hieß mich, seinem Blechbauch ein Frühstücksei zu entnehmen. Sein Freund, der Herd half mir beim Kochen, die Kollegen vom Geschirr stellten Becher und Löffel zur Verfügung. Kumpel Tisch zog sein bestes Tuch an und lud Salz und Pfeffer auf seine gesellige Platte.

Die Eiskastenbesitzerin war glücklich, wie selten. Mit brillianter Technik schlug sie dem Ei die Kalotte ab und begann mit mit der Erforschung seines Inneren. Goldgelb und zäh waren seine Dotter. Und bald verspeist. Seine Dotter? Ja, natürlich: Es waren Zwillinge im guten Ei. „Ja! natürlich“ – so ist das mit Gentechnik, Hormonen und Werbeslogans: Sie machen Eiskastenbesitzerinnen unsicher.

Bankdirektoren erschießen sich meist selbst. Ihre blitzblanken Colts, Smith & Wessons und was sich sonst noch zum Auslöschen eignet, bewahren sie – wo sonst – in meterdicken Safes auf. Der Mann von der Straße hat´s da schwerer. Seine Knarre liegt meist bieder getarnt unter Stapeln von schlecht geführten Unterhosen im ehelichen Wäschekasten. Helmut Z. griff sich also Papas 357er Magnum und einen Stapel Munition: Denn wo eine Waffe ist, ist auch für einen Fünfzehnjährigen ein Weg.

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