Alu Bengalu

Falter 36/2001 vom 5.09.2001.

Liebe Frau Andrea!

Ich hatte unlängst einen Traum, ein kleines Land namens Bengalen bewarb sich um Aufnahme in die EU. In einem Film (im Traum) sah ich einen Müllwagen, auf dem ganz viele Männer saßen, die die Mülltonnen festhalten sollten, und alle sprachen russisch. Meine Frage nun: Ist es theoretisch möglich für Österreich in die Vereinigten Staaten von Amerika aufgenommen zu werden? Nur um der Absurdität der Situation Willen, und um den Europaskeptikern wie mir eins auszuwischen. Und: Warum ist Alufolie immer auf einer Seite glänzend und auf deranderen matt? Welche Seite ist für den Kontakt mit den Speisen bestimmt?

Liebe Grüsse, Heidi Bobal
2372 Gießhübl

Liebe Heidi,

vermutlich haben sie das exotische Bengalen traumtechnisch mit den aus mitteleuropäischer Sicht nicht weniger exotischen Baltischen Staaten durcheinandergewirbelt. Diese Länder bewerben sich um Aufnahme in die Europäische Union. In ihrem Müllmännertraum sahen sie normale russische Müllmänner mit normalen russischen Mülltonnen auf einem normalen russichen Müllwagen. Solche Trauminhalte sind nur aus baltischer Sicht bedenklich. Theoretisch ist es Österreich möglich, in die Vereinigten Staaten von Amerika aufgenommen zu werden. Die Lage auf einem anderen Kontinent wäre kein Hindernis. Der Bundesstaat Hawaii ist von Los Angeles etwa so weit entfernt wie Vorarlberg von Boston, Nach meinem bescheidenen Kenntnisstand von Aluminium Surface Physics ist die glänzende Seite glatter als die matte. Deren mikroskopische Rauheit vermindert das adhesivische Haften der Schichten auf der Alurolle. Ich packe Speisen immer in die rauhe Seite.

Eisdellen

Falter 35/2001 vom 29.08.2001.

Sehr geehrte Frau Andrea!

Als ich neulich unter der sommerlichen Hitze leidend Abkühlung im Bade suchte, kam ich auf die Idee, meine Gedanken über den Nordpol schweifen zu lassen in der Hoffnung auf alsbaldige Erleichterung für meine geplagten Schweißdrüsen. Nun, hier meine Frage, die mich seitdem quält: Wenn es am Nordpol schneit, denn kalt genug ist es ja, was passiert dann eigentlich mit all dem Schnee? Denn wegschmelzen wird er ja wohl kaum. Besteht die Gefahr, daß uns irgendwann mal der Nordpol so zugeschneit wird, daß die Erde nicht mehr rund bleibt sondern immer mehr zu einem Ball mit zwei Beulen verkommt? (Die zweite ist natürlich der Südpol.)

Mit Kompliment an ihre Kolumne verbleibe ich
Erich Taubenschuß,
Wien

Lieber Erich,

vielen Dank für ihre coole Frage. Das Problem mit dem schneeverwehten Norpol bewegt die Redaktion dieser Kolumne schon seit längerem. Ein arktisches Paradoxon will es, dass die Eisdelle, die sie für den Norpol befürchten, tatsächlich schon seit längerer Zeit existiert. Nur hat sich diese Delle unglücklicherweise über der Rieseninsel Grönland ausgebildet und diese interessante Weltgegend kilometerdick vereist. Vermutlich lag nämlich der Norpol einmal über Nordostkanada und Teilen Grönlands. Aus geophysikalischen Gründen, deren Erklärung das Konzept dieser Kolumne leicht sprengen würde, bleibt Schnee über Kontinenten und Inseln leichter und länger liegen, als über zugefrorenen Meeren. So kommt es, dass der von ihnen mit Wehmut bedachte Nordpol zwar stets fein zugeschneit bleibt, sich die befürchtete Delle aber über Grönland wölbt.

Browser und Bananen

Falter 34/2001 vom 22.08.2001

Frau Andrea,

vielleicht können Sie mir helfen. Täglich beschäftigt mich die Frage, wieso es in meinem Internet-Explorer den Menüpunkt „Favoriten“ gibt, hingegen aber nicht „Alsergrund“, „Josefstadt“, „Döbling“ oder „Mariahilf“.

Werner Akson
1030 Wien

Herr Werner,

ein Freund von mir ist vor Jahren unter anderem deswegen von Innsbruck nach Wien gezogen, weil er sichere Beweise dafür zu haben glaubte, der Sozialismus hätte hier den Status einer Religion. Wie sonst wäre es möglich, erklärte er mir, dass eine Stadtpfarre nach einer der Vaterfiguren der kommunistischen Ideologie benannt sei und schlicht und einfach St. Marx hiesse.

Liebe Andrea,

ich habe ein kleines Bananenbäumchen auf meiner Terrasse stehen, es wächst und gedeiht, ja es fühlt sich sogar sehr sehr wohl. Ich würde allzugerne Bananen ernten, fürchte aber, dass unser Klima solche Experimente nicht zulässt.

Sabine Schwendlich
Wien, Favoriten

Liebe Sabine,

haben sie gewusst, dass ihr Bezirk in alle Internet-Explorer eingebaut wurde? Leser Werner weiß mehr darüber.

Bananen gedeihen übrigens prächtig in Österreich. Ich war am Sonntag mit meiner Mama in Bad Radkerburg und habe dort grosse freistehende Bananenstauden gesehen. Sie hatten meterlange saftgrüne Blätter. Meine Mutter meinte dazu nur salopp: “Jaja, die haben jetzt alle Bananenbäume hier. Und sie ernten auch kleine südoststeirische Bananen.”

Hermetisches

Falter 33/2001 vom 15.08.2001.

Liebe Frau Andrea,

ich hatte letzthin einen kurzen Traum. Was da genau vorging, weiss ich nicht mehr – wissen sie es? (hehe, kleiner Scherz) -, nur noch an das Ende kann ich mich erinnern. Ich hatte ein Messer im Rücken. Natürlich bin ich dann aufgeschreckt, aber das Messer war eh kein Messer, sondern
ein Eck vom Standard (der da offensichtlich im Bett neben mir lag) und meinen Rücken penetrierte. Das wirft hunderte von Fragen auf, aber nur
eine interessiert mich: Welche?

Ein verwirrter
Gerald Waibl, 1070 Wien

Ich schätze mal, dass sie die Elferfrage am meisten interessiert: Woher kommen wir und was haben wir getrunken.

Liebe Frau Andrea,

vielleicht wissen Sie Rat! Letztes Wochenende haben wir uns aus Anlass eines internationalen paparazzistischen Kongresses in Wien eingefunden. Dabei hofften wir, auch den von uns verehrten Hermes Phettberg wiederzusehen. Aber alle Versuche, Hermes anzurufen, anzumailen oder sonstwie Nachricht zukommen zu lassen, schlugen fehl. Also pilgerten wir zu mehreren Zeiten zu seiner uns bekannten Wohnhaft, um ihn dringendst zu besuchen. Aber auch das schlug fehl, denn an seiner Türe blieb es mucksmäuschenstill. Bitte helfen sie uns! Wie können wir mit Hermes Kontakt aufnehmen?

Corinna Lacoste Stegemann und Angelika Maisch, Berlin und Karlsruhe.

Liebe Corinna, liebe Angelika,

wir dürfen hoffen, dass Hermes diese Zeilen liest und so von Eurem Besuch erfährt.

Zwilautsex

Falter 32/2001 vom 08.08.2001.

Liebe Frau Andrea,

kürzlich vernahm ich den Begriff “Tiefdong” beim Belauschen eines Gesprächs in der Tramway. Hat dieses Wort mit Sex zu tun?

Günther Poidinger, Neubau

Lieber Günther Poidinger,

sie sollen doch nicht Lauschen! Vom Lauschen werden Sie nur verwirrt. Da ich nicht annehme, dass ich in ihrer schmackhaften Frage auf den Kern eines seichten Herrenwitzes beisse, will ich mal annehmen, sie haben tatsächlich gehört, was sie berichten. Ein Tiefdong ist mir aus der Anatomie nicht bekannt, sehr wohl aber aus der Linguistik. Dort schreibt sich der Begriff allerdings “Diphtong”. Damit bezeichnen die Sprachwissenschafter einen, aus zwei Vokalen gebildeten Laut. Der Begriff kam über das lateinische Wort diphtongus aus dem griechischen díphtoggos, soviel wie “zweimal tönend” zu uns. Diphtonge stecken in vielen vielen Begriffen. An Sex würde ich vorrangig nicht denken wollen. Auch Kollege Kralicek runzelt die Stirn. Wahrscheinlicher ist, dass sie Styrologen, den Wissenschaftern die sich der Erforschung des Steirischen widmen, gelauscht haben. In der Sprache Schwarzeneggers wimmelt es nur so von Diphtongen. Lebendigstes Beispiel für Zwi- und Mehrlautverliebtheit sind die Obersteirer. Wo ein normaler Deuschsprachiger gross sagen würde, mit einem langen, gesunden o, greift der Obersteirer tief in sein vokalexperimentales Schatzkästlein und bezeichnet alles nichtkleine als graouss. Absolutes Spitzenleistung auf dem Gebiet der Polyphtongierung ist das Verwenden sämtlicher, ja sie lesen richtig, Günther, sämtlicher Vokale des Alphabets. Die obersteirische Murmetropole wird von Einheimischen Laiouben ausgesprochen.

Spakpobeme

Falter 31/2001 vom 01.08.2001

„Die Bölts, die ist so stark, die geht nie kaputt.“ Der Belgier Walter Godefroot, Manager des Radteams Telekom, über den deutschen Radprofi Udo Bölts. (Zitiert aus: Süddeutsche Zeitung, 28. Juli 2001, Seite 45)

Liebe Frau Andrea,
ist Om weniger ein Nepalese als ein heimlicher Belgier?

Mit gutem Gruß,
Wolfgang S., chello.at

Lieber Wolfgang,

sie haben recht und doch wieder nicht. Es ist nämlich genau umgekehrt. Walter Godefroot, Manager von Pedallegende Jan Ulrich und selbst einmal erfolgreicher Radsportprofi – zwischen 1965 und 1979 fuhr der Flame 150 Pokale in seine Genter Scheune – ist am besten Wege sich entgültig zu omifizieren. Schon lange schwelt unter Omforschern der Verdacht, der aufbrausende Fahrraddirektor wäre Geheimkatmandese und stünde der Sprachsekte der Omiglotten nahe. Jüngste Aussprüche, wie der von Ihnen in der Süddeutschen gefundene nähren die Gewissheit der These: Godefroot ist in Wahrheit Omist und heisst unter Brüdern schon längst die Godefot. Aufmerksame Linguisten finden in den Annalen der Godefrootschen Radsportkarriere Indizien, die die eindeutige Sprache der Omifikation prechen. 1966, gleich im zweiten Jahr seiner langjährigen Siegesfahrt durch die Lorbeerhaine des Radsports wurde Walter Godefroot erst 2ter beim Grossen Preis von Frankfurt und dann, noch vor den glühenden Naben seines Landsmannes Eddie Merckx Vizesieger beim Eröffnungsrennen der belgischen Saison. Der Eintages-Halbklassiker ist nach der belgischen Tageszeitung Het Volk (Das Volk) “Omloop Het Volk” benannt. Om-loop Het Volk. Alles klar?

Ost West und Falen

Falter 30/2001 vom 25.07.2001.

Liebe allwissende Frau Andrea,

neulich sah ich eine Dokumentation über die Waschmaschinendynastie Miele. Die kämen aus Ostwestfalen, hiess es dort. Kann denn das sein? Heben sich die Begriffe Ost und West nicht auf so wie Plus und Minus? Müsste das Aufeinanderprallen der Gegensätze Ost und West nicht zum “Soloausdruck” Falen führen?

Jens Schauko, 31,
Lenaugasse

Hallo Jens,

ein interessantes Problem! Ähnliches haben mir auch schon Betroffene aus Silian berichtet. Silian liegt im westlichen Teil von Osttirol und der müsste nach ostwestfälischen Vorbild Westosttirol heissen. Tut er aber nicht. Schon aus Sympathie mit den nur ein paar Steinwürfe weiter westlich wohnenden Toblachern nicht, die strenggenommen Nordost-Südtiroler sind. Wenn nun, so die Spezialisten aus Silian, wenn sich West und Ost aufhüben, läge Silian nicht mehr in Osttirol sondern schlicht in Nurtirol. Und das verbäten sich die Tirol-Unionisten, weil damit ihre Nomenklatur arg ins Trudeln käme. Tiroler Unionisten legen nämlich grossen Wert auf die Bezeichnungen Ost und Süd für die Provinzen Lienz und Bozen, um damit anzudeuten, dass die Provinz Innsbruck das wahre Tirol sei, dem mit der Detirolisierung von Südtirol grosses Unrecht widerfahren sei.

Miele, lieber Jens, heisst auf italienisch bekanntlich Honig und ich finde es ganz schön mutig, eine Waschmaschine nach einem Brotaufstrich zu benennen! Dagegen verblasst die Chuzpe, aus Ostwestfalen zu kommen, doch einigermassen.

Last ist Lust

Falter 29/2001 vom 18.07.2001.

Liebe Frau Andrea,

Ich habe vor kurzem Urlaub auf dem Bauernhof gemacht. Auffallend waren die vielen Fliegen überall. Am leidtragendsten sind wohl die Kühe. aber sind sie es wirklich? Wer ist wem lästiger? Die Fliege der Kuh oder umgekehrt? Die Fliege kommt ja nie zu einer Verschnaufpause, bei der ständigen Wedelei.

David Schapiro, 40,
Sackstrasse, Graz

Hallo David,

wie aufmerksam! Sie haben gut beobachtet! Da gehen Generationen von Menschen in Kuhställe, melken und misten und niemand fällt was auf. Nicht den Insektologen, nicht den Kuhbesitzern, nicht den Tierschützern. Hat das Kuhschwanz-Fliegen-Problem je auch nur eine leise vorgetragene bäuerliche Frage, geschweige denn einen einzigen landwirtlichen Aufschrei des Staunens hervorgerufen? Sie sitzen direkt davor, die Kuhhirten und Milchproduzenten und was tun sie? Lächerlich knisternde Insektengriller hängen sie auf und Fliegenfänger aus den Fifties. Der tierpsychologische Aspekt des Kuhschwanz-Fliegen-Problem ist dem Stallpersonal jedoch schnuppe blunzen. Aber keine Angst, David, so schlimm, wie sie befürchten ist die Sache nicht. Fliegen haben nämlich grossen Spass an der Sache. Für Fliegen ist das Navigieren um den Kuhwedel Volkssport. Sie empfinden dabei ähnliche Lust, wie unsereins beim Fahren auf der Hochschaubahn. Die Kuh widerum, man möchte es garnicht glauben, empfindet nahezu gar nichts beim Fortwedeln der lästigen Fliegen. In einer Art stiller Demut fügt sich die Kuh in das spassige Treiben der vergnügungssüchtigen Fliegen und stellt sich in den Dienst der lusthungrigen Fluginsekten. Lassen Sie sich also beruhigen, David und klatschen Sie beim nächsten Besuch im Kuhstall wild in die fliegenden Freunde. Sie werden es ihnen mit grossem Lustgewinn danken.

Von den Enttreppungen

Falter 28/2001 vom 11.07.2001.

Liebe Frau Andrea,

Sie sind meine allerletzte Hoffnung, sie wissen sicher Rat. Ich bin verzweifelt, ich fühle mich eskaliert! Es wird immer schlimmer, was kann ich tun? Was kann ich tun, um mich de zu eskalieren (©Westenthaler)?

Werner Pribitzer, 34
Johnstrasse

Ruhig Blut, Werner.

Setzen sie sich erst einmal, am besten auf einen Stuhl. Auch ein Sofa ist sicher. Keinesfalls dürfen sie sich jetzt auf eine Stufe setzen! Deeskalation oder Deeskalierung, wie es Klubobmann Dr. Khol von der Österreichischen Erfolkspartei nennt, ist kein einfaches Unterfangen. Um richtig de zu eskalieren bedarf es grosser Erfahrung und eines Quentchen Glücks. Schon einer klassischen Eskalation wohnt die stete Steigerung inne. Wie steil mag dann erst eine ausgewachsene Eskalierung ausfallen! Nicht auszudenken. Stellen Sie sich ihr politisches Gefühlsleben als gemütliches Treppensteigen auf den sicheren Stufen des Alltags vor. Nun stellen sie sich weiter vor, jemand hätte die Skala, auf der sie aufwärts steigen, mit einem billigen Kokosläuferaus den sechziger Jahren ausgelegt. Und nun zöge, während sie auf kokosläuferbelegten Stufen treppauf und alltagswärts stiegen, jemand regierungsseitig am unteren Ende des Teppichs. Um nicht zu fallen, würden Sie sich erschreckt ans Geländer klammern und versuchen, Halt zu finden: “Hoppla”, dächten Sie, “wie geschieht mir” und blitzartig schösse Ihnen die einzig richtige Antwort durch den Kopf: “Ich eskaliere gerade!” Was tun, lieber Werner, wenn das unausweichliche passiert? Schreien, klagen, protestieren? Nichts von alledem! Lassen Sie sich fallen, lieber Werner, halten sie sich nicht fest, beissen sie auf ihre Zunge, halten Sie den Mund. Kullern sie los! Deeskalieren sie richtig!

Kosmos und Programm

Falter 26/2001 vom 27.06.2001.

Liebe Frau Andrea,

seit ich denken kann, beschäftigt mich eine Frage brennend. Wo beginnt der Kosmos und wo endet er?

Rainer Scheimpflug,
Mödling

Der Kosmos oder Sternenhimmel, lieber Rainer, jene berühmten, unendlichen Weiten des Weltraums, ist in ebsenso unendlich vielen konzentrischen Zwiebelschalen locker um die Erde gepackt. Wo er beginnt, fragen Sie? Wenn Sie sich, um ein brauchbares Exempel zu statuieren, zu Weltraumversuchszwecken auf dem Mount Everest einfänden, könnten Sie den Kosmos ganz unmitttelbar (be)greifen. Sie müssten sich ganz groß machen, auf die Zehenspitzen (oder auf eine mitgebrachteLeichtmetallkiste) stellen und mit der ausgestreckten Hand ganz nach oben fassen. Denn etwa 2 Meter 21 über dem Gipfel des Mount Everest beginnt der Kosmos. Es gibt zwar billigere Möglichkeiten, solche Höhen zu erreichen – ein ganz normaler Charterflug kommt spielend in die erstn vier der unendlich vielen kosmischen Zwiebelschaalen – aber für unser psychologisch-astronomisches Experiment taugt so ein Flug wenig. Erfahrungen mit Milliarden von Fluggästen haben gezeigt, dass der Flugzeugrumpf, die Kabinenluft, das Bordservice und nicht zuletzt die Gegenwart anderer Passagiere das kosmische Erlebnis erheblich abschwächt. Wo er endet? Der Kosmos endet jenseits der allerletzten Weiten der Vorstellung im Nichts. Schon der Gedanke des Nichts fehlt dort. Leider..

Liebe Frau Andrea,

wie programmiere ich einen Videorekorder?

Florian Spilutini, Wien 6

Lieber Florian,

es ist unmöglich, einen Videorecorder zu programmieren. Legen sie sich einen DVD-Player zu.

Eselsohren

Falter 25/2001 vom 06.06.2001.

Liebe Frau Andrea,

ich kenne mich nicht mehr aus. Neulich sann ich über meine Volksschulzeit und da fiel mir das Wort Eselsohren für die kleinen umgefalteten Ecken der Schulheftseiten ein. Da kann irgenetwas nicht stimmen. Eselsohren sehen doch ganz anders aus.

Doris Haller,
Leopoldsgasse

Liebe Doris,

Sie haben völlig recht. Eselsohren sehen tatsächlich ganz anders aus. Eselsohren sind etwa 40 Zentimeter lang, grau behaart und wachsen aus den Köpfen von ausgewachsenen Eseln.(Das sind die störrischen Tiere, die wie faule Pferdeaussehen). Aber auch der Begriff “Eselsohren” für das Phänomen von umgefalteten Heftseitenecken hinkt ganz stark. Die kleinen, dreieckigen (und stets nach vorne gefalteten) Heftecken müssten eigentlich Koalabärenohren heissen. Sie sehen den putztigen Hörbehelfen der Eukalyptusblattfresser weit ähnlicher als den langen, schotenförmigen Lauschern der neumalklugen Eseln Woran mag es liegen, fragen Sie sich jetzt, liebe Doris, dass im Schulheftbeschädigungsbereich seit Generationen mit gänzlich ungeeigneten Begriffen hantiert wird? Ganz einfach: Eselsohren sahen früher tatsächlich wie Eselsohren aus. Sie waren lang und eingerollt, nicht gefaltet wie heute. Schulkinder in der Zeit vor der Durchindustrialisierung (was für ein klebriges Wort!) hatten andere Lehrbehelfe als heute. Die Seiten waren aus anderm Papier, das Papier war anders gefasert und diese Fasern liefen anders durch die Heftseite als heute. Eselsohren entstanden fast von selbst, ohne Zutun der Schulkinders. Man konnte meinen, Papier selbst habe die Lust am eselsohrigen Gerolltsein. Heutiges Papier dagegen ist dröge und faul. Koaabärenhaft geradezu.

Wieder da

Falter 23/2001 vom 25.04.2001.

Liebe Frau Andrea,

ich habe in der Zeitung gelesen, sie seien in den letzten Wochen gar nicht auf Erholung gewesen, wie ich dachte, sondern hätten klammheimlich einen Film gedreht. Noch dazu in der Ukraine. Stimmt das?

Walter Grobmannseder, Margareten
Lieber Walter,

Sie haben recht, ich bin tatsächlich nicht auf der faulen Haut gelegen, sondern habe mit Detlev Buck und Josef Hader die Weltstädte Bratislava, Lviv, Kiev und Odessa bereist. Die meisten dieser Städte liegen in der Ukraine. Die Ukraine ist ein grosses Land, dessen fruchtbare Erde überwiegend dazu genutzt wird Roh-Vodka anzupflanzen. Das Destillat dieser schmackhaften Nachtschattenpflanze wird in kleinen weissen Plastikbechern verkauft und der durstigen Bevölkerung zur Strahlenprophylaxe verabreicht. Auf den Strassen der grossen, von weitläufigen Kastanienallen durchpflügten Metropole Kiev wird von Ladas, Wolgas und einer rapide wachsenden Zahl von dicken Mercedes befahren. Hinter den schwarzen Scheiben dieser direkt aus deuschen Parkhäusern importierten Limousinen sitzen stiernackige Männer in YSL-Anzügen, die nicht so recht an Vodka als Therapeutikum glauben und stattdessen zum Cognac-Abusus neigen. Die Kiever, die sich allesamt als Bewohner des Nabels der Welt wähnen, essen vorwiegend fett und deftig, vor allem Stör am Spiess, pannierte, mit Käse im dritten Aggregatzustand gefüllte Hühnerbrüstchen und armdicke Pfannkuchen. Jung und alt hört tagein tagaus Ukraino-Pop, eine Musik, die sich anhört, als sängen Ivan Lendl und Ivana Trump Melodien von Peter Cornelius. Die Mädchen in Kiev lieben hohe Schuhe und kurze Minikleider, die Burschen Cognac und Mitsubishi-Geländeautos.

Mir san Mir

Falter 16/2001 vom 18.04.2001.

Liebe Frau Andrea,

ein Physiker erzählte mir, dass in der jüngst abgestürzten russischen Raumstation MIR gar nicht Schwerelosigkeit geherrscht hätte. Die Anziehungskraft hätte weiterhin bestanden. Nur die Geschwindigkeit des Raumschiffes hätte die Astronauten gewichtslos gemacht. Das Fehlen der Anziehungskraft sei mit dem Zustand beim Absturz eines Personenliftes zu erklären. Können Sie das glauben?

Rolf Knell, Ratzersdorf

Lieber Rolf,

der von ihnen kontaktierte Physiker hat nach Ansicht meines Freundes Elmar Platzgummer, ebenfalls Physiker, völlig recht. Nach Ansicht aller kontaktierten Physiker kann Kräften nur gegengewirkt werden. Sie heben sich maximal auf. Wie Ringer, die, weil sie gleich stark sind, stundenlang in einer mühelosen laookonischen Verstrickung herumverharren können. Der Knackpunkt am scheinbaren Schwerelossein in so einer Mir ist die Geschwindigkeit, und die hat in unsrem Fall sehr mit der Höhe der Mirschen Umlaufbahn zu tun. Ein bisschen langsamer und eine Mir würde runtergezogen werden, und zerschellen, ein bisschen schneller, und sie entfernte sich immer mehr Richtung Kosmos. Der Knackpunkt ist das Duo Geschwindigkeit und Entfernung. Würde sich ein Astronaut in einer Umlaufbahn weiter unten befinden, sagen wir, in einem Verkehrsflugzeug, wäre er zwar nicht mehr schwerelos, sondern schon schwerevoll, aber nicht so schwerevoll, wie ganz weiter unten, am Fussboden unseres Globus. Sogar in unserem Körper wirken diese Entfernungs/Geschwindigkeitsphänomene. Ein Molekülchen in unserem Knie ist schwerer, als ein solches in unserer Augenbraue, schlicht weil es, sobald wir auf einer perfekten Kreisbahn wandern, in einer grösseren Entfernung die Erde umkreist, als das Molekül im Knie. Hätten mir sich das gedacht?

Stiefeltechnisches

Falter 14/2001 vom 04.04.2001.

Liebe Frau Andrea,

Gestern hat eine Kollegin gefragt, in welchem Schuhgeschäft man Osterbock kaufen kann. Wissen Sie näheres?

Viele Grüsse
Larry Lex, Eichgraben

Lieber Larry,

Osterbock finden Sie im profilierten Spezialsonderschuhhandel. Osterbock werden aus Stutenleder gefertigt. Sie sind sehr weich, halten trotzdem enorm viel aus und waren zu Zeiten der Monarchie die bevorzugten Stiefel der tschechischen und mährischen Kutscher. Slowakische Kutscher, vor allem die aus den Gegenden der Hohen Tatra und der Zips hatten Pfingstbock lieber, in Galizien wiederum waren Weihnachtsbock ein absolutes Muss. In Lemberg fertigten die Schuster ganz besondere koschere “Pessachbouck”, die anstatt mit Hanfzwirn mit Rosshaar genäht waren und damit auch den allerstrengsten orthodoxen Kutschern als koscher galten. Die Herkunft der Bezeichnung Osterbock ist allerdings mehr als unklar. Bock ist bekannterweise eine Wiener Bezeichnung für Schuhwerk. Vermutlich wurden die eleganten, leichten Osterbock nach der Schneeschmelze angezogen, als der Frühling das Tragen der winterlichen Filz- oder Lammfellstiefel unnötig machte. Osterbock haben mit slawischen Emigranten ihren Weg bis nach Amerika gefunden. In New York – besonders im East Village – waren Sie, als “Easter Bogg” und verballhornt als “Esther Bog” bekannt. In den Schlachthöfen von Chicago waren die so genannten “Auoster Bouck” äusserst beliebt. Die burgenländischen (eigentlich westungarischen ) Fleischhauersgesellen liebten diese strapazierfähigen und dennoch eleganten Stiefel. Die Osterbock werden heute nur mehr von Pinzgauer Rossknüttlern getragen, und dies auch nur aus folkloristischen Gründen. Schade.

Neues aus der Halt-Bar

Falter 13/2001 vom 28.03.2001.

Liebe Frau Andrea,

in meiner Heimbar stehen zum Großteil Flaschen, die bis zu zehn Jahre alt sind. Hauptsächlich Scotch, aber auch Cognac, Grappa u.a. hochprozentige Getränke. Die Frage, die mich bewegt, lautet: kann Schnaps schlecht werden? „raucht“ er aus? Wird er ranzig, sauer, schal? oder hat Alkohol ab einer gewissen Konzentration konservierende Wirkung? Und wenn
ja, gilt das auch für Bailey‘s oder Eierlikör?

Viele Grüße,
Wolfgang K., Internet

Lieber Wolfgang,

die Beantwortung deines Problems ist für eine Nichtalkoholikerin eine spannende Aufgabe. Ob Schnaps schlecht werden kann? Ich weiss nur, dass von Schnapps schlecht werden kann. Von russischen Besatzungssoldaten geht die Mär, sie hätten sich in Ermagelung von Wodka an den Präparaten in den Naturgeschichtekammerln unserer Schulen gütlich getan. Die Wirkung soll trotz der geschmacklichen Herausforderung solcher “Liköre” durchaus intoxikativ gewesen sein. Meine schwedischen Onkels Magnus und Dietrich haben in den 70ern eine Flasche Portwein aus dem Besitz meines seefahrenden Urgrossvaters, Sjökapten Pettersson geöffnet. Der war zu diesem Zeitpunkt mindestens 75 Jahre tot. Meine Onkels, als Schweden durchaus Kenner von alkoholischen Getränken, beschrieben das alte Fläschchen als so ziemlich das Beste, das sie je getrunken hätten. Alten Weinen soll Lagerung ja durchaus gut bekommen. Manche Whiskeys werden überhaupt erst mal 12 Jahre gelagert, bevor sie in die Heimbars von so Leuten wie dir gelangen. Was die Haltbarkeit von Eierlikör betrifft, möchte ich dich zwar an meinen Kollegen Hermes Phettberg verweisen, aber insoferne meinen Senf dazugeben, als ich es für denkbar hielte, dass Eierlikör Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende hält.

Schuhkundliches

Falter 12/2001 vom 21.03.2001.

Liebe Frau Andrea,

was, bitte, ist ein “Bibel-Hammerl”. Hab ich da irgendeinen religiösen Trend versäumt? Der Ausdruck fiel allerdings im Zusammenhang mit Kleidung. Ich bin ratlos, in Vorarlberg gibt es sowas nicht.

Sabine Fink, Internet

Liebe Sabine,

als ich noch ein kleines unschuldiges Ding war, beschäftigte ich mich ausgiebig mit dem Anhimmeln von männlichen Popstars. In einschlägigen Sex-, Drugs- and Rock’n’Roll-Etablissements war zu dieser Zeit eine Wiener Musikkapelle zu Gange, die sagenumwobene Schoitl AG. Die hatten bodenlange Mäntel an auf der Bühne und spielten schwere Gitarrenmusik, jedenfalls sah das auf den ebenso mysteriös wie vielversprechenden Plakaten so aus. (Schwere Riffs kommen immer von tief hängenden Gitarren, vermutete ich.) Der Held der von mir aus der Ferne angebeteten Combo war der damals schon in ganz Niederösterreich weltberühmte Helmut Bibl. Die langen Django-Mäntel, die die Schoitl-AG anhatten, haben auf mich eine atemberaubende, ja geradezu animalisch-sexuelle Anziehung ausgeübt. Bibl hatte zudem eine hervorragende lange Matte, die fast so lang war wie sein grauer Mantel. Er war als Gitarre spielender blonder Winnetou die Idealbesetzung. Nur die Allmann Brothers hätten zu dieser Zeit frisurtechnisch mithalten können. Das wichtigste Utensil der Schoitl AG aber war das Schuhwerk des Gitarrenfachmanns, es waren ebenso ausgelatschte, wie elegante texanische Cowboy-Stiefel. Und nun zu Deiner Frage: Stiefel im allgemeinen heissen in Wien seit Urzeiten Hammerl, die beschriebenen Spezialgeräte waren unter „Bibl-Hammerl“ bekannt. Helmut Bibl hat sich seit den 70ern äußerlich (und innerlich) nicht verändert. Nur die Bibl-Hammerl sind etwas weicher geworden.

Wiederkäuer

Falter 11/2001 vom 14.03.2001.

Liebe Frau Andrea,

beim Flanieren über den Brunnenmarkt konnte ich über dem Eingang des Hauses Wien 16, Payergasse 12, folgenden interessanten Text lesen: „Wir sind in die Welt gevögelt und können nicht fliegen“, Werner Schwab, III Stock, Tür 18, 1992 – 1993. Diese Zeilen sind auf einer Plexiglasscheibe aufgebracht, hinter der, in einer Mauernische, Schulter- und Kieferknochen diverser Wiederkäuer fixiert wurden. Ein Scheinwerfer scheint dieses Gesamtkunstwerk des Abends auch noch zu beleuchten. Nun zu meiner Frage: Ist es eine grobe Wissenslücke, nicht zu wissen, wer jener Werner Schwab ist/war? Für Deine geschätzte Antwort im Vorhinein dankend verbleibe ich mit freundlichen Grüßen

Herwig Schöbitz
P.S.: Auch Sonja läßt herzlichst grüßen.

Lieber Herwig, liebe Sonja,

das von Euch entdeckte Kunstwerk bezieht sich auf ein Stück des Grazer Dramatikers Werner Schwab: „Übergewicht, unwichtig: Unform“. Darin reden sich sechs Spießbürger in einem Vorstadtlokal den Bodensatz der österreichischen Gesellschaft von der Seele: Sozialneid, Fremdenfeindlichkeit, Gewalt und verklemmte Sexualität. Wie Tiere fallen sie über ein glückliches Liebespaar her, das nichts zu suchen hat in ihrem Mikrokosmos aus Hass und Demütigung. Das Pärchen wird vergewaltigt, ermordet und schließlich verspeist. Das Stück endet mit dem berühmten Zitat: „Wir sind in die Welt gevögelt und können nicht fliegen“. Der tote Dichter lebte von 1981 bis 1989 mit Frau und Sohn zurückgezogen auf einem Bauernhof und arbeitete dort sowohl an „verwesenden Skulpturen“ aus Kadavern und Fleisch, als auch an Erzählungen und Theatertexten. Die 16 Stücke, die er zwischen 1990 und seinem Tod in der Silvesternacht 1993 schrieb, machten ihn zum begehrten Bühnenautor, zum Skandal und zum Idol.

Über die Lautstärke

Falter 10/2001 vom 07.03.2001.

Liebe Frau Andrea!

Kann man eine LAUTE auch leise spielen? Und wenn nicht, wie?

Günther Poidinger, Neubau

Lieber Herr Günther,

Laute spielen ist ein beliebtes Thema, um Witze zu machen. Ertappte Lautespieler versuchen sich dann, mit Sprüchen wie „ich betreibe wenigstens keinen unlauteren Wettbewerb“, aus der Situation retten. Doch Betroffene können oft nicht mehr mitlachen. In Österreich spielen etwa 200.000 Menschen regelmäßig Laute. Die meisten, bis zu 80%, sind Männer. Lautespieler sind sich ihres Problems meistens nicht bewußt. Erst wenn sie Laute spielend, mit Lautstärken bis zu 80 Dezibel (Lautstärke eines startenden Motorrades) ihre Nachbarn und Partner vertreiben, wird ihnen der Ernst der Lage bewußt. Ob Prominente, Politiker, Arbeiter oder Geschäftsleute, alle sind in gleicher Weise betroffen“, weiss Lautenforscher Prof. Magaunig von der Universität Klagenfurt. Bei den meisten Menschen ist die Lebensqualität stark beeinträchtigt. Ständig kämpfen Lautenspieler mit ihrer Müdigkeit und „nicken“ häufig ein. Zudem nehmen Leistungsfähigkeit und Konzentration immer weiter ab. Der Klagenfurter Lautenmediziner berichtet von verzweifelten Patienten, die ihre Arbeit verlieren oder bankrott gehen. Während nicht Laute spielende Menschen wenig Schaden anrichten, so kann der Sekundenschlaf eines Lautenspielers tödliche Folgen haben: „Es wird uns immer wieder von unaufgeklärten Unfällen berichtet, bei denen wir annehmen, daß die schwere Tagesmüdigkeit eines Lautenspielers die Ursache gewesen sein könnte“, sagt Morgenstern der zuletzt fordert „wenn die Ehefrau anfängt, sich über das Lautespielen zu beklagen, ist das ein Warnsignal“.

Mehr Drogen

Falter 09/2001 vom 28.02.2001.

Liebe Frau Andrea!

Ich kenne mich nicht mehr aus. „Noch mehr Demos“ schlägt die FPÖ auf Wahlplakaten vor, und ich glaube sie hat das so gemeint, dass die anderen das haben wollen, weil die Plakate sind rot und grün. Da hat mir eine Freundin gesagt, dass Demos auf griechisch Volk heißt. Weil die FPÖ aber eine stinknormale demokratische Partei ist, wendet sie sich sicher nicht gegen Volk und Demokratie, habe ich mir gedacht. Aber, habe ich weiter gedacht, vielleicht gegen die Überbevölkerung? Wie ich gerade so nachdenke, sehe ich aber ein Plakat von der Spitzenkandidatin: „Drogen: Ich bin selbst Mutter“. Muttersein führt doch zu noch mehr Überbevölkerung, oder? Die will die vielen Kinder doch nicht mit tödlichen Drogen… – nein. Ich kenne mich echt nicht mehr aus. Erklären Sie mir das bitte, liebe Frau Andrea!

Ihr Klaus Federmair, gmx.at

Lieber Klaus,

bei der FPÖ scheint die rechte Hand nicht zu wissen, was die ganz rechte tut. Das wird in den Plakatkkampagnen der letzten Wochen deutlich sichtbar. Erst wurden seltsame Pfeildiagramme in die Schlacht geworfen, die grafischen Sujets des britischen Stardesigners Neville Brody so nahe standen, dass der Verdacht des geistigen Diebstahls in der Luft stand, dann wurde mit dem Ruf nach mehr Demos und Ausländern bizarre Ängste vor rot-grün geschürt und nun wirbt die Partei des einfachen Mitglieds mit der geballten Kraft einer berufstätigen Mutter. Bei der Spitzenkandidatin für die Wiener Wahl scheint das dextromanuelle Gespaltensein einer Person vorzuliegen. “Ich bin selbst Mutter”, lächelt Helene Partik-Pablé drogenbewusst von den Wänden. Heissen die kleinen Tabletten, die Mamis im tiefsten Frust zu sich nehmen, nicht “mothers little helpers”?

Knopfsemmel

Falter 08/2001 vom 21.02.2001.

Liebe Frau Andrea!

Im Falter 7/01 empfehlen Sie einem Uwe aus dem Internet, der ein Problem mit Knopfsemmeln hat, er möge sich ggf. einen Termin beim Salzamt holen. An der Knopfsemmeltheorie dürfte etwas Wahres dran sein. Ich habe heute bei meiner Ankerfiliale (Sechshausergürtel) nichtsahnend ein paar Semmeln bestellt und bezahlt, zuhause beim Auspacken musste ich mit Erschrecken die von Uwe beschriebenen Knopfsemmeln erkennen.

Mit lieben Grüßen
Christian, Internet

Lieber Christian,

Sie haben recht, das Salzamt wird uns nicht weiterhelfen. Vielleicht bringt die offizielle Stellungnahme des Anker Kundenservice etwas Licht in die Dunkelheit der Semmelkrise: “Die der Kärntner Knopfsemmel nachempfundene „Knopfsemmel“ sollte in unseren ersten Testfilialen die optische Unterscheidbarkeit ermöglichen. Ankerbrot ist der festen Überzeugung, dass die Art der Herstellung dieser Semmel (mit Gärschrank in der Filiale) die Semmel länger frisch hält, mehr Volumen erzeugt und besser schmeckt. Ankerbrot versieht nun diese Semmel mit einem Markennamen und nennt sie „Ankersemmel“. Für die Anhänger der „Kaisersemmel“ bleibt auch die traditionelle Semmel in unserem Sortiment.” Da haben wir’s, lieber Christian! Semmel ist also nicht gleich Semmel. Da Sie, wie Leser Udo offenbar auch Anhänger der Kaisersemmel bist, hier mein Tip: Verlangen Sie doch beim nächsten Ankerbrotfilialbesuch nicht einfach locker eine Semmel sondern ausdrücklich eine “Kaisersemmel”. Vielleicht könnte es auch helfen, unmissverständlich klar zu machen, dass Sie aus religiösen Gründen keine der Kärntner Knopfsemmel nachempfundene „Knopfsemmel“ essen dürfen.

Probleme mit Essen

Falter 07/2001 vom 14.02.2001.

Liebe Frau Andrea!

Ich wollte neulich beim Anker „Kaisersemmeln“ (die mit dem Krönchen) kaufen, und man sagte mir, dass diese ein „Auslaufmodell“ seien, und es dort bald nur noch „Knopfsemmeln“ (eine Art Knopf mit Sonnenstrahlen obendrauf) gäbe. Ich finde das sehr schade. Was kann man dagegen unternehmen?

Ihr Uwe, Internet

Lieber Uwe,

in meiner Ankerfiliale weiss niemand etwas von dieser schrecklichen Zukunft. Haben Sie schon einen Termin beim Salzamt?

Ich hätte da mal eine Frage. Was habe ich gestern zu Mittag gegessen (so circa zwischen 12.30 und 12.44 Uhr)? Kleine Hilfe: die Sonne hat nicht geschienen (schien mir jedenfalls so) und der 123er Bus fuhr gerade geradewegs vorbei.

Alf Frommer, Hamburg

Ich tippe mal gerade geradewegs auf was bei uns als “narrische Schwammerl” (verrückte Pilze) bekannt ist.

Ich habe Haare wie ein Pferd und vielleicht bekomme ich über Nacht auch noch hoove. Dann können wir endlich auf einem gemeinsamen Orange Juice reiten.

Ihre Elli Kny, Wien

Gute Idee! Aber statt eines Orangensaftritts schlüge ich vor, mein zweisitziges privates Hoovercraft zu nehmen (das reitet auf Luft). Frage: Sind Sie mit Herrn Frommer verwandt oder verschwägert?

Alle reden von der Ski-WM – auch ich kann es kaum erwarten. Können sie mir sagen, wann es denn jetzt los geht, damit ich rechtzeitig nach meinem Fernseher suchen kann.
Harry Titz, Internet

Die Schranziade ist gottseidank soeben zu Ende gegangen.

Silberpfeilsimo

Falter 06/2001 vom 07.02.2001.

Warum sind eigentlich die Wiener U-Bahnzüge innen orange und aussen silberfarben bemalt? Steckt da was dahinter?

Alexander Korinek, Landstrasse.

Da steckt was dahinter, lieber Alexander. Das Design der Wiener U-Bahn-Züge stammt aus den 70er-Jahren, einer Zeit, als Farben noch was bedeuteten. Weiss war da noch für Brautkleider und Toiletten bestimmt, Schwarz für Pfarrer und Merdedes-Diesel-Taxis, Grün für Gemüsegeschäfte und Polizisten, Rot für Krampusse und die Sozialistische Partei. Das fahle Gelb totgekochter Eidotter war für die Post reserviert und Violett war für den öffentlichen Gebrauch insofern tabuisiert als es neben Veilchensträussen nur für Karfreitagsdekorationen vorgesehen war. Die Designer der Wiener U-Bahn standen also vor einem Dilemma, das nicht leicht zu lösen war. Die Farbe, in der der Vorläufer der U-Bahn daherkam, das staubige Rostrot der Stadtbahn war nicht gerade als modern etabliert und auch das Weissrot der Strassenbahn konnte nichts repräsentieren, was auch nur im entferntesten mit Fortschritt und urbaner Modernität in Einklang zu bringen war. Eine Farbe allerdings hatten alle noch in blendender Erinnerung: Das Silber der reichsdeutschen Rennautos! Das signalisierte Geschwindigkeit, technische Rafinesse und Siegeswillen! In einer Melange aus deutschnationaler Technikverklärung und zukunftsgläubigem Modernismus bekamen unsere U-Bahn-Garniuren nicht nur die Farbe sondern gleich auch den Namen der Mercedes-Boliden aus den 30er und 40erjahren: Silberpfeile. Nun befanden wir uns allerdings schon in den 70ern und da war vor allem eine Farbe ultrahip: Orange. Orange war alles, was busy und aufregend war. Orange signalisierte Sicherheit und es ist kein Zufall, dass sich auch die berühmte Z-Kugel der Zentralsparkasse mit leuchtendem Mandarin schmückte.

Kanalschwimmen

Falter 05/2001 vom 31.01.2001.

Liebe Frau Andrea!

Kann man im Donaukanal schwimmen? Ich habe gehört, da hat’s mal ein Schwimmbad gegeben.

Valentin Thurnpatscher, Währing

Lieber Valentin,

im Donaukanal kann man ganz ausgezeichnet schwimmen. Behauptet zumindest ein Freund von mir, Gernot Mooshammer. Der hat sich eines frühen Morgens nach einer langen Nacht im Flex seiner Kleider entledigt und sie einer Unbekannten mit den Worten überreicht: “So, I schwimm jetzt hoam”. Dann ist er in den Donaukanal gesprungen und bis zur Urania geschwommen. Dabei ist er auch an jener Stelle vorbeigekommen, an der es tatsächlich einmal ein Flussbad gegeben hat. Das waren im Grunde genommen nichts anderes als swimmingpoolgrosse verplankte Holzkäfige, in denen man ausgezeichnet Baden konnte, ohne in Gefahr zu geraten, von der Strömung mitgerissen zu werden.

Was ist eigentlich aus Comandantina Dusilova geworden? Waren das auch Sie?

Helmut Zöhrer, Leopoldstadt.

Wie, waren das auch Sie? Nein das war nicht ich. Comandantina war der Name, den sich eine gute Freundin von mir einmal in Kuba zugelegt hat. Ihre Phantasie gipfelte in der Vorstellung, sie hätte zur rechten Zeit am rechten Ort durchaus eine Gefährtin von Che Guevara gewesen sein können. (Eigentlich müsste es heissen: Zur linken Zeit am linken Ort…)

Ich bin so unglücklich. Meine Freundin sieht super aus, will aber nur Kuscheln. Sex interessiert sie nicht, sagt sie.

Reinhard Pexa, Internet.

Lieber Reinhard,

sie will nur kuscheln, sagst Du? Hmm, schwierige Sache. Wie siehts Du denn eigentlich aus? Vielleicht liegts daran? “Denk mal drüber nach“ (Alex zu Jürgen in BB1).

Weil Warum

Falter 04/2001 vom 24.01.2001.

Liebe Frau Andrea!

Ich hasse Abkürzungen: CIA, FBI, KGB, UdSSR, DDR, und jetzt Willi Resetarits mit FUT. Was soll ich nur machen?

Doris König, Ottakring

Liebe Doris,

ich fürchte wir können da wenig machen, wir müssen da durch. Jetzt heisst es, tapfer zu sein, denn die Abbrevionitis hat den langen Atem aller schlechten Angewohnheiten. Haben nicht schon die Römer mit diesem Unsinn angefangen? Die nannten ihren Staat ja nicht “Die Römer” oder “Bundesrepublik Rom” sondern gespreizt SPQR, Senatus Popolusque Romanorum, Senat und Volk der Römer. Und von SPQR zu USA, DDR und CCCP war es dann nur mehr ein kurzer kleiner Sprung. Ersten öffentlichen Unmut Abkürzungen gegebüber hat die Knabenband Fantastische Vier 1999 in ihrem Song MFG formuliert. “ARD, ZDF, C&A, BRD, DDR und USA”, singen sie da, “BSE, HIV und DRK, GbR, GmbH, ihr könnt mich mal…” MFG, mit freundlichen Grüssen, hiess die epochale Scheibe. Ganz ernst können es die Fantastischen Vier mit ihrer Anklage aber nicht gemeint haben, sonst würde sich die Band nicht FANTA 4 nennen. Wie ja auch Bandabkürzungen ein Kapitel für sich sind! Wer könnte je so wichtige Kürzel wie ELP (Emerson, Lake and Palmer), BTO (Bachmann, Turner Overdrive), ELO (Electric Light Orchestra) oder BCR (Bay City Rollers) vergessen. Sogar Frau Andrea war mal als Sängerin und Gitarristin in einer Wiener Vorstadtband namens UA’B (Urquhart A’Bhainne) tätig. Woran Willi Resetarits gedacht haben mag, als er – ausgerechnet in einem Fernsehwerbespot – mit der äusserst unzweideutigen Abkürzung FUT zu hantierten began, ist mittlerweile Gegenstand wilderster medienpolitischer Spekulationen. Neuesten Gerüchten zufolge soll Willi Resetarits mit FUT nichts anderes als “Ferdammt und Tsugenäht” gemeint haben.