Liebe Ungarn, ich hoffe, Ihr habt es immer schön kuschelig in Eurem schönen Ungarn. Ab jetzt. Zuvor wart Ihr ja die Bussibären Europas. Geknechtet vom Kommunismus, davor gebeutelt von den bösen Osmanen und den noch böseren Habsburgern. Lauter furchtbare Okkupatoren und Verhinderer des guten Ungarntums. Horthy? Vergessen. Also wie gesagt, hoffentlich bleibt es immer schön locker bei Euch und pitschipatschi. Denn ab sofort seid ihr nicht mehr die Bussibären Europas, sondern die Orbánbären. Und Gulasch können wir übrigens auch kochen. Und die Ungarn, die bei uns sind, das sind die leiwanden Magyaren. Die stehen jetzt am Westbahnhof und helfen den Syren, die ihr auf Fitnessmärsche geschickt habt. Kann man das wieder gut machen? Aber sicher doch. Orbán und die Faschisten einfach abwählen. Projektname: Ungarn 2.0, Salamirevolution. Ende der Durchsage.
Postskriptum für Satireferne: Die ungarischen Zivilgesellschaftler, die sich gegen Rassismus stemmen und Flüchtlinge versorgen und lieb haben, aber schlecht gehört werden, weil die Porpagandamaschinerie über sie drüberfährt, sind gute Ungarn. Will sagen: Gute Menschen.
Ich habe nachgedacht, warum so viele Menschen in Österreich Aversionen und Ressentiments gegen Asylsuchende aus Syrien hegen. Und warum die politische Agitation der FPÖ (und die Untätigkeit der Regierungsparteien) auf relativ breite Zustimmung in der Bevölkerung treffen. In der familiären Erinnerung der meisten Österreicher ist Krieg gleichbedeutend mit Generalmobilmachung. Kein Mann im „waffenfähigen“ Alter entkam der Nazi-Kriegsmaschinerie – egal ob freiwillig oder unfreiwillig.
In der Erinnerung der Österreicher ist der kriegsflüchtige junge Mann aber niemals ein „guter Mann“. Entweder ist er Desserteur, Feind, oder politisch/rassistisch Verfolgter. In der damaligen Ideologie (sie hallt nach) waren das Verbrecher. Waren das „hiesige“, waren es Fahnenflüchtige, Kameradenschweine, „Judenpack“, „Zigeunergesindel“. Den „guten“ Flüchtling sah man erst im Rückkehrer aus der Kriegsgefangenschaft, und in den Vertriebenen aus den Sudentengebieten (zumeist Frauen, Kinder und Alte, wenig jungen Männer allerdings). Weil der Großteil der syrischen und afghanische, tschetschenische und pakistanische Flüchtlinge von jungen Männern gestellt wird, werden diese alten Reflexe der hasserfüllten Ablehnung mobilisiert. Ungarn- noch Tschechoslowakeiflüchtlinge waren in der Wahrnehmung der Österreicher keine Kriegsflüchtlinge und damit relativ willkommen.
Strache (sein Großvater war Sudetenflüchtling) gehört nicht zufällig einer willkommenen Grupppe an. Er nimmt sich genealogisch als Vertriebener wahr. Als Guter also. Zusammengefasst: Es ist der junge männliche Zivilist, den die rechten Österreicher als „böse“ wahrnehmen.
vielen Dank für die Einladung zum Kanzlerfest aka Sommerfest der SPÖ. Sehr nett, daß Deine Leute mich da auf eine Liste mit anderen Wichtigtuern gesetzt haben. Zur Sache. Ich will nicht kommen. Ich könnte. Aber ich will nicht. Ich kann nicht über Parkwege stolzieren und Hors-d’oeuvre von Silbertabletts naschen, und Smalltalk über Kunst und Kultur führen, wenn in Traiskirchen Menschen auf der Erde schlafen müssen, ihre Kinder auf eben dieser Erde zur Welt bringen müssen, wenn sie sich um Essen und Trinken so lange anstellen müssen, wie das verdammte Kanzlerfest dauern wird. Wenn Ärzten der Zugang zu Patienten verwehrt wird. Kann sein, dass ich jetzt nie wieder zu irgendeinem Kanzlerfest eingeladen werde (zum Kanzlerfest von Strache würde ich gewiss nicht eingeladen werden). Wenn das der Preis dafür ist, dass nie wieder Menschen am Boden schlafen müssen in Österreich, wäre das ein schöner Preis. (Mein Niewiedereingeladenwerden. Nicht die Kanzlerschaft des Kickltoys.) Also, habt es nicht schön dort, liebe Freunde. Und hoffentlich seid Ihr nicht viele. Heute.
Mit freundschaftlichen Grüßen, Deine Andrea Maria Dusl, Sozialdemokratin, Leopoldstadt.
Wie war das gerade eben noch, Bauernpartei? Arbeitslosengeld (eine Versicherungsleistung) soll gekürzt werden? Überall soll der Staat sich raushalten. Und nun, da ihr selbst ein bisserl ein Pech habt, Bauern, weil die Ernte verdorrrt, soll der der Staat einspringen. Aha, plötzlich soll der Staat da sein. Für die Banken soll er immer da sein und für die Felder und ihre Besitzer. Für die Menschen in Not darf er nicht da sein. Nicht für die Österreicher in Not, nicht für die Flüchtlinge in Not. Was seid Ihr doch für ein hoffärtiges Pack. Geht in Euch.
„Sehr geehrter Herr Bundespräsident, lieber Onkel Heinz, angesichts der Umstände, unter denen Menschen im Flüchtlingslager Traiskirchen wie Tiere behandelt werden (und manchmal schlimmer), ersuche ich Dich, die zuständige und verantwortliche Ministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner wegen Verstößen gegen die Menschenrechte zu entlassen. Jede weitere Minute, in dem diese Zustände prolongiert werden, gefährden Menschenleben. Die Würde des Menschen wird hier tausendfach verletzt. Dies ist untragbar. Als Sozialdemokratin, Freimaurerin und Mitglied des Unterstützungskomitees zu Deiner Wahl und Wiederwahl bitte ich Dich um die notwendigen Schritte und Maßnahmen. Mit freundschaftlichen und familiären Grüßen, bin ich Deine Andrea Maria Dusl“
Würden in dem Lager Hunde auf diese Weise gehalten, müssten kleine süße Welpen in brütender Hitze wie im kalten Regen im Freien schlafen, ein Aufschrei ginge durch Österreich. „Tierquälerei!“ würden sie schreien, die Hundefreunde und Vierpfotenretter, „Bestien!“, „Unmenschen!“. In Traiskirchen sind aber keine geängstigten Hunde zusammengepfercht und keine süssen Welpen, sondern Menschen. Frauen, Männer, Kinder, Babys. Manche alleine, ohne Eltern. Schande, Österreich. Was für ein böses, dummes, hinterfotziges Land bist du geworden.
Zeit für semiotische Bereinigung. Man möge Schuld und Schulden von einander trennen. Schulden sind keine Schuld. Die Deutschen und ihre Unterläufel, die Ösen, können mit diesem Gleichtlautbefund nur das falsche anfangen. Ich fordere das Ersetzen des Wortes „Schulden“ durch „Debten“ (via eng. debt) oder „Detten“ (via franz. dette). Griechenland hat große Debten, aber keine Schuld. „Die Schuld: héritage de la pensée allemande. En Allemand le mot dette, die Schuld, signifie aussi culpabilité, faute. Les penseurs allemands jouent de cette polysémie… de Nietzsche dénonçant le sentiment de culpabilité développé par le christianisme chez l’homme occidental; à Heidegger développant l’idée d’être, Dasein, consubstantiellement coupable de ses dettes; en passant par l’analyse de l’homme aux rats par Sigmund Freud.“
Solange ich mich erinnern kann, war in meiner Familie alles grösser als Österreich. Europäisch. Meine Onkels und Tanten lebten in Jugoslawien und Schweden, meine Cousins leben in Paris und Stockholm, meine Cousinen in Lissabon. Vielleicht fällt es mir deswegen leichter, Griechenland als Europa zu begreifen und nicht als fernes Trottelland, das mich nur ausrauben und anschmieren will. Und vielleicht ist das deutsche Problem – und es ist ein deutsches Problem, an dem Europa momentan laboriert – ganz simpel. Die Deutschen gehen in andere Länder nur als Exportkontrolleure und als Urlauber, die die Poolliegen mit Handtüchern markieren. Vielleicht sollten Deutsche Cousins und Cousinen haben und Onkel und Tanten, die in Europa leben. Als Otto und Susi Normaleuropäer. Und ja, ich weiß, es arbeiten Ostdeutsche (sagt man nicht!) an der Billakasse und im Wintersporthotel. Und Westdeutsche studieren an Österreichs Universitäten. Aber das ist zuwenig.
Varoufakis über die Verhandlungen in der Eurogruppe: “I try and talk economics in the Eurogroup – which nobody does. – It’s not that it didn’t go down well – there was point blank refusal to engage in economic arguments. Point blank. You put forward an argument that you’ve really worked on, to make sure it’s logically coherent, and you’re just faced with blank stares. It is as if you haven’t spoken. What you say is independent of what they say. You might as well have sung the Swedish national anthem – you’d have got the same reply.” Sein Befund deckt sich mit den Reportage der Eurogruppenminister, die sinngemäss berichteten, Varoufakis habe sie mit seinem professoralen Gehabe und elendslangen akademischen Vorträgen genervt. Genervt. Klar. Sie haben kein Wort verstanden.
Die Griechenlandgegner sprechen neuerdings von „Misstrauen“. Wie meinen sie das? Wie wurde hier Vertrauen gebrochen? Es gab nie ein Vertrauen. Es gab ja nie ein Abkommen, ein Verhandlungsabschluss mit der Regierung Tsipras. Was wurde da enttäuscht? Und was ist das überhaupt für eine Kategorie ökonomischen Handelns? Vertrauensbeweise? Das ist ja wie bei der Mafia. Da sprechen sie auch so.
Angefangen hat es in Nordafrika. Im Frühling. Das Volk hat die Vertrauensfrage gestellt. Nicht im stillen Kämmerlein, hinter vorgehaltener Hand, sondern öffentlich. Die Menschen sind auf die Straße gegangen. Nicht einzeln oder in kleinen Gruppen, sondern in Massen. Frauen, Männer, Kinder. Arbeiter wie Akademiker, Bauern wie Beamte. Haben nicht länger gefragt, wie lang sie sich das noch gefallen lassen, sondern haben das Fragen eingestellt und sind zum Sagen übergegangen. Sie haben gesagt: Jetzt ist Schluss mit lustig, wir haben die Nase voll.
Potentaten und Präsidenten, Patriarchen und Politiker, ihr seid Pülcher! Es reicht. Es reicht schon lang. Ihr müsst jetzt gehen. Die Milliarden, die ihr uns geraubt habt, bleiben da. Der arabische Frühling wurde ausgerufen, der Westen erging sich in Freiheitsgeschrei, verglich die Aufstände mit dem Fall des Eisernen Vorhangs, freute sich über Neuzugänge im Paradies des Marktes und in den heiligen Hallen des ewigen Glücks. Aber das Glück währte nicht lang. Aus dem arabischen Frühling wurden die Blutsommer in Libyen und Syrien.
Mit abgeklärtem Gestus – „Ja dürfen’s denn des?“ – wurde den Völkern an der südlichen Peripherie Europas das Recht zugestanden, Selbstverständlichkeiten wie Demokratie und Menschenrechte in den eigenen Wünschekanon aufzunehmen, in Libyen half der Westen mit Bomben ein bisserl mit, schon in Syrien fürchtete er den Flächenbrand. Die arabischen Diktaturen stehen geopolitisch nicht zur Disposition, der Frühling dort muss warten. Zu eng sind die Verflechtungen der regierenden Dynastien mit den Kapitalhäfen des Westens. Das Gespenst der Freiheit aber gibt keine Ruhe. Jetzt sind ganz woanders die Menschen aus dem stillen Kämmerlein getreten, noch nicht in Massen, aber in kleineren, rapid größer werdenden Gruppen. Frauen, Männer, Kinder. Arbeiter wie Akademiker, Freischaffende wie Beamte. Erst kampierten sie an der Wall Street. Von der Presse ignoriert, von den Sicherheitskräften belächelt. Aber es wurden mehr. Stündlich wurden es mehr. Und irgendwann waren es so viele, dass man sie polizeilich behandeln musste, mit Schlagstöcken und Pfefferspray.
„Occupy“ ist die Losung. Und längst ist es nicht mehr nur die Wall Street. Die Unzufriedenen demonstrieren in jeder großen amerikanischen Stadt, okkupieren Chicago, Boston, Los Angeles, Seattle, Dallas, Philadelphia, San Francisco. Ihnen sind die Blogs und Foren, die Twitter-Timelines und Facebook-Pinnwände längst zu klein geworden sind. Sie sind jetzt auf die Straße gegangen.
Wir sind die 99 Prozent, sagen sie, wir werden aus unseren Häusern geworfen, wir müssen entscheiden, ob wir einkaufen oder Miete bezahlen. Für beides reicht es nicht. Wir haben keine medizinische Versorgung, wir leiden unter der Umweltverschmutzung. Wir arbeiten lang für wenig Geld. Wenn wir überhaupt Arbeit haben. Wir bekommen nichts, während das andere eine Prozent alles bekommt. Wir sind die 99 Prozent. An der Wall Street hat es begonnen. Mittlerweile gehen die Menschen in ganz Amerika auf die Straße. Überlegt euch was, Einprozentpülcher, jetzt ist Schluss mit lustig. Es reicht. Bald auch bei uns. Morgen vielleicht.
Die Heilige Hemma von Gurk, die Heilige Waltraut Klasnic von Steiermark, die Heilige Gabi von Salzburgstaller. Landesmütter allesamt. Sobald eine Frau bei uns in den obersten Landessessel klettert, wird sie zur Heiligen, zur Mutter aller Mütter, zur Mutter des Landes, zur Landesmutter. Das Klettern einer Frau in den Polsterdrehsessel eines Mannes, eines Hauptmannes, eines Landeshauptmannes ist ein dermassen seltenes Ereignis, dass dafür Begrifflichkeiten bemüht werden, die aus dem Mystisch-Sakralen kommen. Viele werden Mütter, wenige werden Landesmütter. Das hat weniger mit Mutterschaft als mit Macht zu tun. Lady Di, eine anorektische Kindergärtnerin war so hübsch wie machtlos. Sie blieb eine Lady und wurde maximal zur Mutter der Herzen. Mutter des Landes wurde Diana Spencer nie.
Aber Macht ist noch nicht Mutter. Nicht in den Nebelschwaden des Mystischen. Nie würde die Chefin der, sagen wir einmal, Nationalbank, als Nationalbankmutter apostrophiert werden, oder die Elektrokonzernchefin als Elektrokonzernmutter. Nie. Die Mutterschaft als heiligmässiger Machttitel bleibt der Hauptfrau vorbehalten. Der Landeshauptfrau. Der Frau Landeshauptfrau. Der Frau Landeshauptmann, wie es auch schon hiess. Die Landessprache wird bei landeshoheitlichen Amtsbezeichnungen, auch wenn das Gegenteil behauptet wird, mit grosser, aber individueller Präzision eingesetzt. Waltraut Klasnic legte enormen Wert darauf, mit “Frau Landeshauptmann” angesprochen zu werden. Gabi Burgstaller, eine Gabi und keine Gabriele, noch im Amt und nicht abgesägt, verfolgt ein anderes Selbstverständnis ihrer Melange aus Frau und Regierungschefin. Sie nennt sich in ihrer Funktion Landeshauptfrau. Frau Landeshauptfrau. Man wird sehen, ob einer der männlichen Nachfolger es Waltraut Klasnic einmal gleichtun und sich, das Präjudiz gäbe es, Herr Landeshauptfrau nennen wird. Dem scheinbaren Souverän, dem Volk, dem Landesvolk sind diese Überlegungen gewiss so unheimlich wie rätselhaft. Schon eine Frau auf einem Landeshauptmannsessel, selbst wenn dieser gerade als Landeshauptfrausessel in Erscheinung tritt, verwirrt die Landeseinzelne, verwirrt den Landeseinzelnen.
Worin besteht das Mysterium der Landesmutter? Die Landesmutter sitzt wie eine Termitenkönigin im weitverzweigten Landesbau und legt in grosser Fleissigkeit Landeier. Projekte und Projekterln. Fleissig nährt die Landesmutter Projekte und Projekterln mit Subventionsnektar aus ihrem mächtigen und prallgefüllten Landesmutterleib. Bestellt Wächter und Boten, Ausrufer und Verkünder, Aktenblätterer und Bestempler, Projektstreichler und Nektarumrührer. Dazwischen tätschelt die Landesmutter die Köpfe der Landeskindergartenkinder, durchsticht Landestunnels, sichert die Ränder eingestürzter Pingen, beschreitet Landesstrassen, klatscht auf Landesbühnen, staunt in Landesmuseen und lässt das Wasser ein in grossen und sauberen Landesschwimmbädern. Und manchmal legt die Landesmutter die Stirne in Falten und richtet den Gesinnungsgenossen in der Bundeshauptstadt ihre Position zu diesem und jenem mit. Mit kritischem Gestus und ernstem Ton. Manchmal und bisweilen. Je nachdem. Den Damen und Herren im Bund. Wo es keine Mutter gibt. Keine Bundesmutter. Nur Maria Theresia selig.
Andrea Maria Dusl ist Filmemacherin und Autorin. Zuletzt erschien im Residenz Verlag ihr Roman “Channel 8”.
Franz HEBENSTREIT (1747-1795). Rehabilitierung eines frühen Demokraten
Wiederaufnahme eines Verfahrens im Rahmen der Wiener Vorlesungen
Mit: Andrea Maria DUSL(Autorin, Zeichnerin, Filmregisseurin), Hubert Christian EHALT (Prof. Sozialgeschichte, Wissenschaftsreferent der Stadt Wien), Alexander EMANUELY (Schriftsteller, Rep. Club), Norbert GERSTBERGER (Richter), Ottwald JOHN (Schauspieler), Beate MATSCHNIG (Richterin), Heinz MAYER (Prof. Verwaltungs-, Verfassungsjurist), Werner ORGIS (Prof. Verwaltungs-, Verfassungsgeschichte), Arno PILGRAM (Rechts-, Kriminalsoziologe), Ernst WANGERMANN (Prof. Historiker).
Ich fordere Freiheit für Franz Hebenstreit! Mein Aufruf kommt 215 Jahre zu spät. Franz Hebenstreit wurde am 8. Jänner 1795 hingerichtet. Am Schottentor wurde er aufgehängt, unter dem Johlen derber Dummköpfe, die sich darin gefielen, eine weitere Fackel der Aufklärung in den Brunnen zu werfen.
Franz Hebenstreit war ein Demokrat, er brannte für die Freiheit, für die Gleichheit, für die Geschwisterlichkeit. Am Schottentor, wo sein Licht ausgeblasen wurde, steht heute die grosse Universität des Landes, darin sein Fokus, das Auditorium Maximum.
Auch 215 Jahre nach Hebenstreit wird am Schottentor noch um die Freiheit gekämpft. Für die Freiheit des Denkens, für die Freiheit von Ungleichheit und Standesdünkel. Auch 215 Jahre nach Hebenstreit ist das Schottentor noch eine Richtstätte. Unten am Donauufer steht die grosse Kaserne, sie wurde gegen das Volk errichtet, wurde gebaut, um das Volk mit Waffengewalt von der Revolution abzuhalten. Sein Hauptausfallstor ist auf ebendiese Universität gerichtet, das österreichische Gegensatzpaar Staatsgewalt und Freiheit der Lehre ist in den Stadtplan eingeschrieben.
Am Schottentor werden noch heute, im Jahr 2010, 215 Jahre nach Hebenstreit Studierende von Polizisten zusammengeschlagen. Was ist ihr Verbrechen? Die Forderung nach Freiheit. Das Besetzen kommunalen Eigentums.
Was fürchtet die Staatsgewalt? Sie fürchtet, dass der König seinen Kopf verliert. Mit der Forderung nach Freiheit beginnt der Kopf zu wackeln, mit der Idee der Gleichheit purzelt er.
Hätte Franz Hebenstreit, Bruder im Geiste, Bruder im Licht, seine Sehnsucht nach der besseren Welt, seine Sehnsucht nach einem Leben ohne Neid und Missgunst, ohne Habgier und Ausbeutung, hätte er diese Sehnsucht verwirklicht, lebten wir heute in einem besseren Land.
Dann könnte sich Arigona Zogaj heute so frei fühlen wie Anna Netrebko.
Hätte Franz Hebenstreit seine, unsere Sehnsucht verwirklichen können, hätten wir uns die Metternichzeit erspart, die eiserne Faust nach dem gescheiterten 48er-Revolutionsversuch, das soziale Elend der Gründerzeit, den habsburgischen Völkerkerker, den ersten Weltkrieg, den Ständestaat, den Nationalsozialismus, den zweiten Weltkrieg und wahrscheinlich auch den Holocaust.
215 Jahre nach Hebenstreit leiden wir noch immer an den Echos der aufgezählten Verbrechen. Täter wie Opfer. Die Täter leiden an ihrem Wahn, die Opfer an dessen Folgen.
Die Utopien, nach denen sich Franz Hebenstreit sehnte, sind in diesem Lande noch weitgehend unverwirklicht. In seinen Betrachtungen fand Hebenstreit, “dass der Neid in seinem ausgedehnten Verstande die Hauptquelle aller Laster sei, auf der anderen Seite, dass von dem Krieg zum Prozesse, vom Prozesse zum Raub und zur Plünderei keinen anderen Grund als das Mein und Dein habe.”
In einer Gesellschaft dagegen, in der “alle Natur- und Kunstprodukte nach jedem Bedürfnis gemeinnützig sind, folglich der Erwerb sowie der Genuss gemeinschaftlich”, in einer solchen Gesellschaft sei jedes Laster unmöglich.
Andreas Riedel, der andere prominente revolutionäre Geist jener Tage nennt diese Gedankenwelt euphorisch „Hebenstreitismus oder Kommunismus“.
Neoliberale und Antisoziale, Klerikale und Konservative mögen ihre Ressentiments am Wort Kommunismus erigieren, aber in einer Welt, die Hebenstreit und die anderen Revolutionäre ersehnt und vorgedacht haben, gäbe es die Geschäftsmodelle des Neoliberalismus und Antisozialismus nicht, es gäbe keine Wahrheit in Gott und nicht die Nacherzählung des Beamtenkaiserstaates im Kleinen. Es gäbe Gerechtigkeit und Gleichheit, es gäbe die Souveränität des Einzelnen, gebündelt in der Idee der Solidarität.
In einem Hebenstreitösterreich gäbe es Freiheit, gäbe es Gleichheit, gäbe es Geschwisterlichkeit.
„Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.” Der Artikel 1 des Bundesverfassungsgesetzes ist nicht verwirklicht. Österreichs Recht wird hinter den Polstertüren von berufsständischen Kammern und Eigentümerbüros verhandelt, es hat keine Erinnerung an die Revolution, denn die Revolution hat in Österreich nie stattgefunden. Der König hat nie seinen Kopf verloren.
Wer auch immer an seiner statt sitzt, egal, welchen Namen sein Sessel trägt, hat keine Erinnerung an die Macht des Volkes. Wo es keine Erinnerung gibt, gibt es keine Erkenntnis. Es wundert nicht, dass die Republik sich nicht an Franz Hebenstreit erinnert.
Aber wir tun es und wir holen seine Fackel aus dem Brunnen, sie brennt noch und leuchtet. Franz Hebenstreit mag sein Leben ausgehaucht haben, aber seine Ideen brennen. Stürzen wir die falschen Helden von ihren Sockeln, die Kaiser und Könige und Kärntner Sonnen und ihre Büttel und erinnern wir uns an die wahren Helden dieses Landes. Die ersten Demokraten. Die ersten Republikaner. Franz Hebenstreit, Du lebest hoch!
The U.S. Government had intentionally kept water and food from desperate people in New Orleans. Mitchel Cohen – Friday, Sep. 02, 2005 at 10:42 AM.
Les Evenchick, an independent Green who lives in the French Quarter of New Orleans in a 3-story walkup, reports that 90 percent of the so-called looters are simply grabbing water, food, diapers and medicines, because the federal and state officials have refused to provide these basic necessities.
Die österreichische Regierung begeht ein soziales Verbrechen nach dem anderen, sie verschleudert den Besitz der Republik, säubert Betriebe und Institutionen von allen Unliebsamen und installiert dort Parteigänger der Schüsselisten und ihres seltsamen Koalitionsbeiwagerls. Jetzt geht es der Demokratie an den Kragen. Die Entdemokratisierung der österreichweiten Studierendenvertretung ÖH ist nur der Anfang. Was kommt als nächstes? Die erbliche Monarchie? Der Ständestaat?
Es sieht so aus, als wären die US in Rot und Blau zerfallen. Rot: Die gottgeleiteten, rechtsgerichteten christkonservativen Republikaner hinter dem „Leader“ Bush. Blau, die liberalen, linken, aufgeschlossenen und aufgeklärten Demokraten, die mit Kerry untergingen.
Ganz so schlimm ist es nicht. Amerika ist blauer als das Wahlergebnis vermuten lässt. An Bushs Fahrplan ändert das freilich wenig.
Noch nie ist es uns Frauen so gut gegangen wie heute: Alerte Handarbeitslehrerinnen können Wissenschafts-Minister werden, Sekretärinnen mit Biss Präsidentschaftskandidatin oder EU-Kommissarin und einfache Schwestern einfacher Parteimitglieder gar Parteichefin. Fromme Frauen gelingt es mühelos, im Himmel anzuläuten und mit Krampfadern-Gebeten Ex-Kaiser zur Seligsprechung zu verhelfen. Das ist doch was.
Denen von uns, die es nicht ins Rampenlicht der Politik, auf die Schipisten der Welt und in die Chefetagen der grossen Konzerne drängt, kann auch geholfen werden: Schüsseloide Familienpolitik macht es Frauen leicht, sich für konservative Werte wie Heirat, Heim und Herd zu entscheiden. Für Nachwuchs im Alleinverdienerhaushalt wird auch gesorgt:
Schwangerschaftsunterbrechungen werden erschwert, eine rigorose Gesellschaftspolitik weiss zu verhindern, das Männer gar untereinander heiraten und an der Heiligkeit der Sakramente rütteln. Wenn Frauen zu Hause nach dem Rechten sehen ist das gut für die Wirtschaft, gut für die Banken, gut für die Blasmusik.
Stop.
Ich will, das dieser Spuk wieder aufhört. Sofort. Ich will dass alle Österreicherinnen von ihrem Job leben können, nicht nur jede zweite, dass Kind und Karriere keine einander ausschliessenden Alternativen sind. Und wenn wir Frauen unbedingt heiraten wollen, sollen wir das auch untereinander tun dürfen.
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Erschienen am 3. Oktober 2004, aber wo? Standard, Online-Standard. Kurier, profil, Datum, ÖH-Express? Habs vergessen. Am ehesten noch im profil. Anyway.
Andrea Maria Dusl für Falter 07/00 vom 16.2.2000 Seite 21.
Kaum waren die Mitglieder der neuen Regierung unter dem Ballhausplatz durchgekrochen, begann sich eine gefährliche Eskalation über das Land zu breiten. Eskalation fand aller Orten statt: Am Ballhausplatz, vor dem Parlament, auf den Straßen der großen österreichischen Städte. Große Eskalationen fanden sich am Sonntag nach der Wende auch vor dem Haas-Haus ein. An ein eskalationsfreies Miteinander der Klubobleute war nicht zu denken. „Zur Sache“ wurde auf den Küniglberg verlegt, einige tausend Eskalateure folgten. Peter Westenthaler sah sich gezwungen, den Staatsmann im Simmeringer zu entdecken: „Wir müssen versuchen, de zu eskalieren.“ Eine Springflut der Deeskalation überschwemmte den ORF: „Es gibt keine Weisung, aber wir halten uns daran.“ Besondere Verdienste um die Deeskalation konstatieren wir bei Günther Ziesel, der seine Agenden als Pressestunde-Moderator mit denen eines Regierungssprechers zu verwechseln trachtete. Enorm auch das Aufgebot an Deeskalation im letzten „Zur Sache“: Oppositionspolitiker wurden aus Deeskalationsgründen erst gar nicht geladen.
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