Wie geht’s?

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 44/2025 vom 29. Oktober 2025

Liebe Frau Andrea,
auf der Spazierrunde für meinen Podcast „AgehWIRKLICH“ im Gespräch mit Ihnen kam eine Frage auf: Warum fragen wir einander „Wie geht es Dir?“ und nicht „Wie sitzt es Dir?“. Wie und warum hängt das mit dem Wort „gehen“ zusammen, und hat es etymologisch/generisch überhaupt etwas mit „gehen“ als Bezeichnung der menschlichen Grundfortbewegungsart zu tun? Ich bitte um Aufklärung und freue mich auf Ihre Antwort!
Beste Grüße,
Lisa Sophie Steiner, per Email

Liebe Lisa Sophie,

Spitalserfahrene kennen die paternalistische Frage: „Na, wie geht’s uns denn heute?“ Gestellt wird sie in aller Regel von Primarien und Oberärzt·innen im Beisein der klinischen Entourage. Größer könnte der Gegensatz zwischen liegenden Patient·innen und der hochmobilen Morgenvisite nicht sein. Und dennoch steckt in der Floskel die Hoffnung auf körperliches, nicht selten auch seelisches Wohlergehen. „Es geht“, antwortetet dann der eine, die andere, im Falle fortschreitender Genesung mit „Es geht schon besser“. Auch in der lapidar-distanziert entbotenen Alltagsfrage „Wie geht’s?“ steckt die unverhohlene Glücksaussicht, der, die Befragte sei bestens auf den Beinen, wiesle geradezu leichten Fusses durch die Gegend, das Schaffen, die Besorgung, den Problemäther.

Das Gehen hat sich (zumindest im Deutschen) in einer Vielzahl von Wendungen sedimentiert. Ab dem vierzigsten Geburtstag gehen wir auf die Fünfzig zu, Schulden gehen in die Milliarden, weil Manipulationen daneben gingen. Vorher gingen die Dinge drunter und drüber, verbunden mit der trügerischen Forderung, dies und das „müsse gehen“. Selten gehen Sachen klar, meist von statten und oft verloren, manchmal und schließlich auch kaputt. Im Komplikationsfall fragen Zweifelnde, ob sie recht gingen in der Annahme, Planende gehen schwanger mit einer Idee, Abziehende gehen von dannen, Flatulente lassen einen gehen. Eine geradezu groteske Wörtlichkeit beschreibt den Zustand innerer oder äußerer Verwahrlosung –  das Sichgehenlassen. Wir schließen mit einem luziden Wiener Witz. „Wie geht’s?“ fragt der Schasaugerte den Hatscherten. „Siechst eh!“.


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