Als Sommerloch bezeichnet der Volksmund jene Zeit, in der die Nachrichtenlage saisonbedingt auszudünnen scheint. Familien mit Kindern röten sich im Urlaub, die Parlamente schlummern, Schulen und Universitäten haben Ferien und vorlesungsfreie Zeit, Ministerien und Ämter dösen auf Halbmast. Die Deutschen, nie verlegen, die Welt anders zu sehen, kennen ihr Sommerloch als „Saure-Gurken-Zeit“, benannt nach der Kulturtechnik, bei der Gurken nicht in Essig eingelegt werden, sondern in gewürzte Salzlake und eine Scheibe Brot, und die solcherart behandelt dank rascher Milchsäuregärung ganz von selber reifen.
Dass der aufmerksamkeitsüchtige Boulevard den Sommer traditionell als Herausforderung versteht, wird von Kritikern der Nachrichtenverflachung bemängelt, wenn auch weitgehend vergeblich. Die Schlagzeilenschleudern berichten also sommers von seltsamen, meist giftigen oder sonstwie auffälligen Tieren, von außerterrestrischer Intelligenz und automobilistischer Unintelligenz.
Seriöse Zeitungen haben journalistisch andere, nämlich wirkliche Sorgen. Sind doch dem Weltgeschehen und den meteorologischen Zuständen die mitteleuropäischen Urlaubsgefühle weitgehend egal. Die internationale Politik hält sich nicht an die hiesigen Kalender. Dürren, Waldbrände und Unwetter aller Art folgen eigenen Gesetzen.
Und seit der große Nachrichtenmacher Donald Trump die Schalthebel der US-amerikanischen (und damit der globalen) Politik bedient, gehen gesellschaftliche und Umweltkatastrophen nahtlos ineinander über. Der Sommer hat kein Loch mehr.
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten am 19. Juli 2025.
Nicht erschienene Version:
Als Sommerloch bezeichnet die publizistische Welt jene Zeit, in der die Nachrichtenlage saisonbedingt ausdünnt. Familien mit Kindern röten sich im Urlaub, die Parlamente schlummern, Schulen und Universitäten haben Ferien und vorlesungsfreie Zeit, Ministerien und Ämter dösen auf Halbmast. Dem Weltgeschehen und den meteorologischen Zuständen ist das dennoch weitgehend egal, abgesehen davon gilt die Jahreszeit Sommer immer nur für die betroffene Hemisphäre. Wichtige Teile der Welt befindet sich momentan im Winter (oder Spielarten) davon.
Nennen wir diese Periode des Zeitungsgeschehens also „unser Sommerloch“, das „österreichische Sommerloch“. Die Deutschen kennen ihres als „Saure-Gurken-Zeit“, benannt nach der Kulturtechnik, bei der Gurken nicht in Essig eingelegt werden, sondern in gewürzte Salzlake mit einer Scheibe Brot, und dank rascher Milchsäuregärung ganz von selber reifen.
Nehmen wir das Synonym beim Wort. Die Gurken (die Nachrichten) reifen im Salzglas (in der unterbesetzten Redaktion) ganz von selbst. Geschichten und Vorfälle schreiben sich ohne großes Zutun. Sie handeln von seltsamen Tieren, von außerterrestrischer Intelligenz und galoppierenden Berichten über US-präsidiale Unintelligenz. Dürren, Waldbrände und Unwetter aller Art tun das ihrige, um den Anschein zu erwecken, es sei viel los, obwohl nichts passiert.
Neu dazugekommen in den Kanon der Sommerlochthemen sind die Nachrichten von der künstlichen Intelligenz. Mittlerweile werden die Sommerlochgeschichten über die künstliche Intelligenz selbst mit Hilfe, und immer häufiger von künstlicher Intelligenz verfasst. Sauer!