Heiliges Bimbam

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 29/2025 vom 16. Juli 2025

Liebe Frau Andrea,
als langjähriger Nutzer der öffentlichen Verkehrsmittel in Wien beschäftigt mich schon länger eine Frage: In den alten Straßenbahngarnituren hört man zwischendurch Signaltöne, die sich wie „Ding“ und „Dong“ anhören. Ich konnte bis heute nicht herausfinden, welchen Sinn diese Töne haben, da sie (zumindest für mich) willkürlich und in keinem erkennbaren Muster zu hören sind. Haben Sie eventuell nähere Informationen dazu?
Mit besten Grüßen,
Klemens Grünwald, per Email

Lieber Klemens,

die Wiener Straßenbahnen erzeug(t)en eine Vielzahl von Geräuschen, das zweitberühmteste (wenn auch meistgefürchete) war das schrille Quietschen alter Garnituren in engen Schienenkurven. Das berühmtes Geräusch war das kurze oder lange Bimmeln, das warnend Achtung gebot. Gerald Pichowetz’ Figur des Franzi Mayerhofer, genannt „Fünfer“, in der Kultserie „Kaisermühlen Blues“ war eng verbunden mit dem lautmalerischen Warnwort „Bimbim“. Zuletzt wurde „Bim“ gar zum Synonym für die, bis dahin „Tramway“ und „Elektrische“ genannten Wiener Straßenbahn-Garnituren.

Nach Konsultation eines mir nahestehenden Experten der Geschichte der Wiener Straßenbahnen wird das Hör-Bild der von Ihnen wahrgenommenen Klänge deutlicher. Sehr wahrscheinlich meinen Sie die Signale, die früher dem Fahrer meldeten, dass Beiwagen und Triebwagen abfahrtsbereit waren, also die Türen geschlossen waren. In den alten Straßenbahnen mit offenen Türen (zum Auf- und Abspringen während der Fahrt) waren in jedem Wagen Schaffner·innen zugange, die dafür sorgten, in jeder Haltestelle die Abfahrbereitschaft des Wagens zu melden. Von „hinten nach vorne“ betätigten sie an einem ledernen Glockenzug eine Glocke, zuerst der (hinterste) Beiwagen, danach der eventuell mittlere, und schließlich der Schaffner des Triebwagens. Nach Einführung elektrischer Falttüren und auf dem Schaffnerplatz sitzendem Personal wurde das Glockensignal durch Knopfdruck ausgelöst. Das des Beiwagen klang wie „Ding“, das des Triebwagens wie „Dong“.

Die akustischen Signale heutiger Garnituren sind ferne Reminiszenzen, allesamt elektronisch im Soundstudio erzeugt.


comandantina.com
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2 Gedanken zu „Heiliges Bimbam“

  1. Die Wiener Bim kann noch mit anderen Besonderheiten aufwarten. Als noch jeder der 2 bis 3 Wagen mit einer Schaffnerin oder einem Schaffner besetzt war, da durfte man mit großem Gepäck nur in die Beiwagen steigen. Und manchmal war da zu hören: Rückwärts einsteigen!
    Ein Kuriosum ist aber auch die Bezeichnung Garnitur für einen Straßenbahnzug. Österreichisch oder gar nur Wienerisch?

  2. Vielleicht zur Ergänzung: Meine empirische Forschung meiner ersten Wienjahre ergab: Bing! hieß: die Türen sind alle geschlossen, die Bim ist abfahrbereit. Dong machte es, wenn der erste Haltewunschknopf gedrückt wurde.

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