Der österreichische Handschlag

Die alten Baiern zogen einander am Ohr, Kaiser, König, Edelmann siegelten, Ämter stempelten, die Welt des Kapitals kennt die Unterschrift. Jedes Schriftl ist ein Giftl, antwortet man in Österreich, denn für Akte des Vertrauens, für Abkommen und Vereinbarungen aller Art gibt es den Handschlag. Der Handschlag ist kein Griassdi und kein Hallo – für Begrüssungen tippt man sich an den Hutrand, hebt das Krügel, reißt einen Seawas runter. Der Handschlag ist tief empfundene Landeskultur, er gilt jenseits aller Vorschriften und Gesetze als rechtsverbindlich und echt, als willkürliche Gegenwartsgeste, die in die Ewigkeit reicht.

Der österreichische Handschlag ist nicht geschüttelt, wie die bürgerlich-amerikanische Guten-Tag-Geste des höflichen Händedrucks, der hiesige Handschlag ist fest wie die Gerichtslinde am Dorfplatz und klar wie der Affirmations-Obstler im Stamperl danach. Im (stets männlichen) Handschlag verdichtet sich die Erinnerung ans Armdrücken am Kirtag, an die helfende Hand nach dem Mopedausrutscher, an die klebrige Schwurhand nach dem nächtlichen Maibaumumsägen.

Obschon die Handschläger mit gleicher Festigkeit zudrücken, wissen sie insgeheim, wer der Stärkere ist. Gleichheit wird nur simuliert, behauptet, sie schwindet spätestens beim Bündnisbruch. Ehrhaftigkeit (nicht Ehre), Verlässlichkeit in Männerbelangen wird daher, gerne auch von Lokalpolitikern, in die Formel von der „Handschlagqualität“ gegossen. Kaum je wurde diese einer Frau zugesprochen. In Sachen Gleichberechtigung gibt es also noch Ritualbedarf.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten am 6. Juni 2025.

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