Wo der Ripatsch herkommt

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 23/2025 vom 4. Juni 2025

Liebe Frau Andrea,
ich war kürzlich meine Tante Peppi (bald 96) in Niederösterreich besuchen. Sie erzählte von der Vergangenheit und irgendwann von einem verheirateten Paar. Er sei ja tüchtig, seine Frau aber ein richtiger „Ribatsch“ gewesen. Ich konnte mir unter „Ribatsch“ nichts vorstellen und sie konnte es nicht erklären, was sie fast zur Verzweiflung brachte (vermutlich ob meiner Begriffsstutzigkeit). Vielleicht können Sie mir weiterhelfen. Ich wäre dankbar und vermutlich Tante Peppi auch.
Mit freundlichen Grüßen,
Karin Gemeiner, Leopoldstadt, per Email

Liebe Karin,

das Knacken des Rätsels um den Ribatsch war etwas schwieriger, weil der Begriff weder im alten noch im neuen Wienerisch zirkuliert(e), und auch in den niederösterreichischen Dialekten weitgehend unbekannt ist. Die Suche im Tschechischen, Slowakischen und Slowenischen bringt keine sinnvollen Ergebnisse, keine spezifischen Ausdrücke jedenfalls, mit denen man eine deviante Ehefrau bezeichnen könnte.

Erhellendes ergibt allerdings der Blick in den k.k. Osten unseres Landes, nach Ungarn. Dort kennt man den „ripacs“ (ausgesprochen Ripatsch, Ribatsch) als Bezeichnung für die marktschreierische, auffällige Person, genauer für den Schmierenschauspieler, Kulissenreißer, den billige Effekte erzielenden Vortragenden. Die umgangssprachliche Popularität des Wortes zeigt sich im Namen der schurkisch ausschweifenden Figur „Ripacs“ im 1883 verfassten Volksstück „A csókon szerzett vőlegény“ (Bräutigam werden mit einem Kuss) des ungarischen Dramatikers und Schauspielers József Szigeti. Als Erstbedeutung des Begriffs nennen die etymologischen Wörterbücher des Magyarischen die Unebenheit, Beule, Vertiefung, den Fleck auf dem Blatt der Pflanze, die Pocken-Narbe. Wann und warum die Bezeichnung für die missgestaltete Oberfläche auf die Schmierenkomödiantik, das übertriebene Schauspiel übersprang, muss noch Gegenstand der Forschung bleiben. Wie und auf welchen Wegen ein ungarischer Ausdruck für schlechte Bühnenkunst in die Hermeneutik niederösterreichischer Ehepaare aus der Großelterngeneration gefunden hat, bleibt weiterhin spannend.


comandantina.com
dusl@falter.at
@comandantina.bsky.social

Ein Gedanke zu „Wo der Ripatsch herkommt“

  1. Sehr geehrte Frau Dusl,

    lese immer wieder Ihre Kolumne im Falter, die mich immer interessiert und begeistert.

    Diesmal fühle ich mich angesprochen, umso mehr, als ich den Ausdruck Ripatsch (bei uns im südlichen NÖ Riwatsch) seit meiner Kindheit kenne und auch so bezeichnet worden bin. Bei uns bedeutete dieser Ausdruck ein sehr lebhaftes Kind, das ich offenbar gewesen bin.

    Mit freundlichen Grüßen
    Paul Maier
    1100 Wien

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert