Leise und ausdrucksarme (sprich: fade) Politiker werden auch in Österreich, Traditionsgegend der Halbschatten und Zwischentöne als „farblos“ diskreditiert. Sehen wir rüber ins Weltgeschehen: Der Vorwurf der verbalen und mimischen Unbuntheit hat dem scheidenden deutschen Kanzler Scholz das Amt gekostet, auch Joe Biden und seiner Karriereverlängerung wurde lähmendblasse Grauheit zum Verhängnis. Farblosigkeit ist zwar bei Herrenanzügen, teuren Limousinen und den Dreitagesbärten der Manager gängiges Muss, auf dem Tanzparkett der Temperamente aber ist graue Zurückhaltung mittlerweile verpönt.
Man versteht, dass die amerikanische Gesellschaft Gefallen an orangen Gesichtern und knallroten Schirmmützen entwickelt hat, an kajalschwarzen Krawallaugen und pennälerhaftem Brachialgehopse. Diplomatische Besonnenheit und elegantes Auftreten sind dank Trump und Musk, und ihrem geheimen Stilberater, dem argentinischen Kettensägenonkel Millei wenig bis gar nicht mehr gefragt. Nicht ganz unschuldig daran ist das weltweite Mediennetz, das nach Aufruhr und Politikgekreische im Minutentakt verlangt. Die Castingshow läuft auf allen Kanälen und hat nur wenige Regeln: Schrill schlägt jederzeit schrullig, böse und berechnend obsiegen immer über berufen und befähigt. Die Grenzen des Möglichen wurden verschoben. Der Politikertypus Horrorclown hat die Bühne betreten und verweigert Aktwechsel, Schlussapplaus und den Gang in die Garderobe.
Man muss dem hiesigen Kanzlerduo Christian Stocker und Andi Babler geradezu dankbar sein, dass sie dem Genre „farblos“ neue Würde verleihen.
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten am 29. März 2025.