Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 11/2025 vom 12. März 2025
Liebe Frau Andrea,
bei dem, was in meinem Leben gerade passiert, fällt mir immer wieder die Metapher ein: „Das Leben schlägt Volten und hat mir gute Karten ausgegeben.“ Nun weiß ich, dass „Volten schlagen“ die Kunst des täuschenden Kartenabhebens ist, aber woher kommt der Begriff?Es dankt und grüßt
Adelheid Augusta, Leopoldstadt
Liebe Adelheid,
unbekannterweise herzliche Gratulation zu Ihrer offenbar erfreulichen Lebenswendung! Die Redensart, die Sie zitieren zirkuliert auch in der Variante „das Schicksal schlägt Volten“. Diese sind „eigenwillig“, „seltsam“, unerwartet“. Als Volte gilt, wie sie schon erwähnen, ein meist schnell ausgeführter, stets verblüffender Kunstgriff beim Kartenmischen und bei Kartenkunststücken, durch den eine bestimmte Karte (oder Kartenfolge) in täuschender Absicht an eine beabsichtigte Stelle gelegt wird. In der Reiterei ist die Volte eine Figur, bei der das Pferd einen Kreis läuft, beim Fechten bezeichnet sie eine Wendung des Körpers, durch die dem Stoß des Gegners ausgewichen wird.
Sehen wir uns die Kartenvolte nochmal genauer an. Wenn sie vom Schicksal, vom Leben geschlagen wird, erfahren wir Unerwartetes, Unvorhergesehenes, Überraschendes. Ganz wie das Publikum, das dem Kartenzauberer zusieht und nicht weiß, wie ihm geschieht. Warum aber wird die Volte im Kartentrick „geschlagen“? Aus der Fechtkunst stammt das Schlagen kaum, wird dort doch mit der Volte kein Schlag oder Stich, sondern ein Ausweichen bezeichnet. Hat es vielleicht doch mit der Reiterei zu tun?
In gewisser Weise schon, hat doch das wohlbekannte Verb schlagen eine Nebenbedeutung, die nicht die kämpferische oder aggressive Bewegung bezeichnet, sondern die drehende Wendung. Etwa, wenn wir einen Kreis schlagen (mit dem Zirkel ziehen), wenn Katholiken ein Kreuz schlagen (sich bekreuzigen) oder jemand scherzhaft jemandem anderen ein Schnippchen schlägt. Auch wenn wir uns in die Büsche schlagen, also aus dem Staub machen, liegt diese Bedeutung vor.
Ihnen, liebe Adelheid, darf ich wünschen, dass das Leben ihnen die Karten nicht in täuschender sondern erfreulicher Absicht geschlagen hat. Das Schicksal kann das.