Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 6/2025 vom 5. Februar 2025
Liebe Frau Andrea,
aus Internet-Listen, in denen schöne, unübersetzbare, aber erklärbare Worte gesammelt werden, habe ich das schöne schottische Verb „to tartle“, das das Problem des Zögerns ob des Namensversgessens beim Vorstellen ausdrückt. Da ich keine SchottInnen kenne, konnte ich das bislang nicht überprüfen, vielleicht gelingt Ihnen das? Ich benutze das Wort jedenfalls immer wieder mal beim Vorstellen, das löst eventuelle Peinlichkeiten auf.
Lieben Gruß,
Philipp Wenzl, per Email
Lieber Philipp,
der schottische Sprachforscher und Theologe John Jamieson listet „tartle“ 1808 in seinem Etymological Dictionary of the Scottish Language, jener Variante des Englischen, die in Schottland gesprochen wird (aber deutlich abzugrenzen ist vom Gälischen). To tartle at one (jemand anzutarteln), so Jamieson, bedeute, eine Person oder Sache mit Zögern zu betrachten, als würde man das Objekt nicht mit Sicherheit wiedererkennen. Auch eine Gebrauchsanweisung des Verbs bietet Jamieson an: „Ich tartelte ihn an, konnte ihn nicht mit Sicherheit wiedererkennen.“ Tartle wurde jüngst ausgegraben und in etymologischen Blogs und Kolumnen vorgestellt, Schott·innen selbst kennen das Wort nicht (mehr). Wo könnte „tartle“ herkommen? Viktorianische Sprachforscher bemühten italienisch tartagliare (stottern), spanisch tartajear (stammeln) und tartalear (wanken, schwanken). Erwähnter Etymologe Jamieson stellte es zu „tartal“, verwandt mit wikingisch-isländisch „tortallit“ (schwer zu sagen). „Tor“, ein Partikel, das die Schwierigkeit bezeichnet, etwas zu bewirken, und „tala“ (sprechen, sagen) beschreiben in Verbindung das Versagen beim Benennen einer Person. Nicht unschwer sind unsere Wörter torkeln, trotten, tattern und ja, auch der Trottel als verwandt zu erkennen.
Im Versuch eine aktuelle Verwendung von „tartle“ zu etablieren, schlage ich „tarteln“ vor. Im Smalltalk auf Parties und Stehempfängen könnten wir Sätze brauchen wie: „Ich darf euch vorstellen, tartel aber grad“, „Verzeihung, jetzt tartel ich“, oder „Tartelzeit, wer kennt es nicht!“ Für den Gebrauch auf Wiener Parketten böte sich eine Zuspitzung an. In Vorstellungssätzen wie „Mi trottelts grod, wer sads es no amoi?“