Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 5/2025 vom 29. Jänner 2025
Liebe Frau Andrea,
Wenn jemand niest hört(e!) man öfters auch: „Höfdagott, dass woa is!“ Während Teil eins des Spruchs plausibel ist, wozu dient der „Wahrheitsbeweis in der zweiten Hälfte?
Danke im Voraus,
Alfred Kampel, Floridsdorf, per Email
Lieber Alfred,
die Segensformel „Höfgott, dass woa is“ zählt in den bairisch-österreichischen Dialekten zum kommentierenden Standardrepertoire bei Niesvorgängen. Ins Hochdeutsche übersetzt bedeutet die magische Formel „Gott möge helfen, dass es wahr ist“. Der Spruch, der heute weitgehend vom Zuruf „Gesundheit!“ ersetzt wird, hat auch eine alltagspoetische, längere Version, sie lautet „Helf Gott, dass’ wahr is und die Katz voller Haar is!“ Als Antwort zirkuliert(e): Donggód (Dank Gott) oder Sengsgód (Segne es Gott). Gemeint ist in der Regel der katholische Gott, welche Wahrheit dieser bezeugt, findet sich in einer anderen Dialogvariante. Fragen nämlich Niesende nach „Helf Gott, dass’ wahr is“ spaßeshalber: „Ja was denn?“ können sie als Antwort bekommen: „Was ich mir gerade gedacht habe.“ Ähnlich stark verwurzelt im Volksglauben ist die Vorstellung, jemand dächte gerade an eine·n, wenn diese·r gerade Schluckauf (wienerisch: Schnackerl) habe.
Die Verbindung von unwillkürlichen nasooralen Vorgängen und transzendierender Wahrheit hat vorchristliche Wurzeln, die tief in indoeuropäischen Vorstellungen von der Heilligkeit des Atems fußen. Schon Homer beschreibt das „Zuniesen“ als Aussagen-Bekräftigung unter göttlichem Einfluss. So „beniest“ es Telemach laut, als seine Mutter Penelope dem von beiden noch unerkannten Odysseus zusagt, er werde demnächst heimkehren.
Körperliche Direktheit verbindet sich auch in einem anderen Aspekt der sternutio, wie das Niesen medizinlateinisch heißt. Parallel laufende Nervenbahnen können beim Orgasmus (und schon beim schieren Denken an Sex) Niesen aulösen. Das Märchen vom Zwerg Nase legt deutliche Tangenten an dieses Phänomen.
Hier schließt sich ein Sager des legendären Monaco Franze an. Der ewige Stenz aus dem kleinbürgerlichen Münchner Westend wusste: „Aus is’ und gar is’ und schad is’, dass’ wahr is’!“
Liebe Frau Andrea,
lese mit höchster Begeisterung Ihre Kolumne, danke für viele bereichernde Erklärungen. Zu „Höfgott, dass woa is“ meine ich, folgendes gehört zu haben: Die ‚mittelalterliche Seuche‘ Pest endete – sofern man nicht daran verstorben ist – mit einer Erkältung, die naturgemäß mit heftigem Niesen einherging. Begegnete man also einem offensichtlich Genesenden, konnte man hoffen, dass das Ende der Krankheit „woa is“ und keine potenziell tödliche Ansteckung mehr zu befürchten ist. Was halten Sie bitte von dieser Auslegung?
Herzlichst
Maria Gepp