Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 4/2025 vom 22. Jänner 2025
Liebe Frau Andrea,
vor ein paar Tagen habe ich zu jemand „Ätschi Bätschi“ gesagt und dabei meinen Zeigefinger über den anderen gestrichen. Aber woher kommt die Geste „Ätschi Bätschi“ beziehungsweise „ätschbätsch“ überhaupt?
Liebe Grüße,
Kathi Gmeiner, Ottakring, per Email
Liebe Kathi,
üblicherweise lernen wir die Ätschi-Bätschi-Geste schon früh, meist im Kindergarten, wo sie in verspottender Absicht dazu dient, anderen akute Schadenfreude mitzuteilen. Spruch und Geste werden meist zusammen verwendet. Schon in der Volksschule schwindet die Lust am sogenannten „ausätschen“.
Im benachbarten Deutschland kennt man die Verspottungform als „Rübchenschaben“ oder „Schaberübchen“, wobei der eine Finger das Rübchen ist, der andere der Schaber. Die Formel „Ätschi“ oder „Ätsch“ zirkuliert im Niederdeutschen als aisch, aisk, eisk (fürchterlich, ekelhaft, hässlich, garstig, schlecht, unartig), sie wurde schlimmen Kindern entboten (und von diesen den scheltenden Eltern). Das Wort kommt wie das altsächsische egeslîc, das mittelhochdeutsche eislîch und das althochdeutsche ekislîh vom gotischen aiviski für Schmach und aiviskón für schmähen.
Der lautmalerische Bestandteil „Bätschi“, „Betschi“ hingegen ist tiefstes Wienerisch. In Felix Saltens erotischem Roman „Josefine Mutzenbacher oder Die Geschichte einer Wienerischen Dirne“ finden wir „petschieren“ als eines der Synonyme für den Koitus. „Petschierte Mädchen“ galten zur Jahrundertwende als solche, denen ein Hindernis, eine Verlegenheit bereitet wurde. Wir sind beim Kern der Geste angelangt, der sich unzweideutig auch in einem der sittengeschichtlichen Gemälde des französischen Genremalers Louis-Léopold Boilly (1761-1845) findet: Die Geste, meist von jungen Damen verwendet, hat eine sexuelle Konnotation – der eine Finger stellt dabei einen Penis dar, der andere seine Manipulation. Die Geste konnte alles bedeuten zwischen der Schadenfreude über einen folgenreichen Seitensprung wie sein Misslingen oder Auffliegen.
Die Kindergartenpädagog·innen von heute ahnen das Tabu zur Geste, die betreuten Kinder naturgemäß nicht.
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