Billig: Der Beserlpark

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 48/2024 vom 27. November 2024

Liebe Frau Andrea,
ein geheimer Spielplatz meiner Kindheit war der sogenannte „Beserlpark“. Viele lange Nachmittage haben wir uns dort zum „kicken“ herumgetrieben. Man traf dort auf schimpfende alte Damen mit Hut und Hunterl, und auch das berühmte Lied „Tauben vergiften im Park“ kann nur dort entstanden sein. Warum aber hieß der Beserlpark so? Gekehrt wurde dort ja nicht, der Beserlpark war immer sehr staubig.
Ihre geschätzte Antwort erwartet
Martin Zachon, Leopoldstadt, per Email

Lieber Martin,

das Wienerische kennt den Baak (Park), den Goatn (Garten), die Gstättn (das verwilderte Grundstück) und den Besalbaak (Beserlpark). Oft zwischen Hauptstraße und Nebenfahrbahn angelegt, kommt sein Name nicht von den an Rutenbesen erinnernden dürren Sträuchern, sondern von seiner Eigenschaft als Wirkungsstätte der „Beserl“ oder „Besen“. Darunter verstand man im alten Wien die „leichtsinnige, junge Weibsperson“, nach heutigem Verständnis die unkontrollierte Geheimprostituierte. Im 1886 erschienenen Werk „Die Prostitution in Wien“ des Wiener Polizeiarztes Josef Schrank heißt es dazu: „Bei Tage treiben sich [die] Schanddirnen in den öffentlichen Gärten Wiens, welche bei Eintritt der Dunkelheit geschlossen werden, herum. Im Volksgarten ist die sogenannte Seufzerallee als Rendezvous für Liebesbedürftige allgemein bekannt. […] Die gemeinsten, meist mit keinem Gesundheitsbuch versehenen Prostituierten benützen zur Ausübung ihres Schandgewerbes bei Nacht die öffentlichen Parkanlagen, besonders den Stadtpark, den Rathauspark, den Park am Franz-Josefs-Kai (Beserlpark)“. Der langgezogene Park auf der stadtnahen Seite des Donaukanals dürfte demnach der erste Beserlpark Wiens gewesen sein.

Der Ausdruck „Beserl“ für die junge Sexarbeiterin kommt wie so Vieles im Wienerischen über Vermittlung des Rotwelschen aus dem Jiddischen, wo Besel, Pesel, Pëisel den schönen Mensch, aber auch das schöne Kind, das Mädchen bezeichnet, Besile, Besule und Beselein die Jungfrau, das Mädchen, die Dienstbotin. Zur despektierlichen Bedeutung des „Beserls“ und seiner Wirkungsstätte, des „Beserlparks“ hat möglichereise auch ein anderes jiddisches Wort beigetragen haben: „Besoll“, soviel wie billig.


comandantina.com
dusl@falter.at
@comandantina.bsky.social

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert