Vom Lawendel reden

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 45/2024 vom 6. November 2024

Liebe Frau Andrea,
ich bin im sanft hügeligen Weinviertel zu Hause und betreibe dort eine Lavendelkultur. Naheliegend werde ich immer wieder von Freunden und Bekannten gefragt, woher der Ausdruck „Red kan Lavendel“ kommt. Ich weiß Einiges über Lavendel, aber darauf weiß ich bisher keine Antwort. Können Sie meinen diesbezüglichen Wissensdurst, und den der Fragenden stillen? Vielen Dank dafür.
Liebe Grüße,
Lavendel Peter, Oberkreuzstetten, per Email

Lieber Peter,

begeben wir uns zur Kärung ihrer Frage ins Wien des vorvergangenen Jahrhunderts. Zum Straßenbild der damals viertgrößten Stadt der Welt gehörten neben anderen Wanderhändlern und Straßenverkäufern die sogenannten „Lawendelweiber“. Leise noch hören Ältersemestrige den Widerhall der letzten Vertreterinnen einer ausgestorbenen Kunst: “Kaafts an Lafendl, zehn Schüling a Bischl Lafendl! An Lafendl kaafts!” Die Lawendelweiber traten oft zu zweit auf und erhoben ihre vorgeblich orientalisch-südländischen, in Gestus und Sprache aber zutiefst wienerischen Stimmen wechselweise. Es waren meist ältere Frauen aus Romafamilien, die sich auch in der Kunst Wahrsagerei verstanden. Von diesem Nebengeschäft kommt der Ausdruck “Lawendelschmäh”, und die wienerische Bitte, dünner aufzutragen, also “kan Lawendel z’redn”. Heute sind die Lawendelweiber ausgestorben, der Lawendelschmäh blüht in der Politik und in den sozialen Medien.

Lawendel-Büscherl wurden (und werden) in Kleiderkästen und Laden gehängt und gelegt. Der feine und betörende Geruch der Heilpflanze entfaltete nicht nur aromatische und hygienische Wirkung, er hat auch einen der wichtigsten Begriffe des Wienerischen erzeugt. Hatten die Wiener das Wort für alles Wohlfeile und Angenehme lange von den hochwertigen Flachsfasern abgeleitet, die wir als Leinen, mittelhochdeutsch linwat, neuhochdeutsch Leinwand kennen, liegt mehr faktisches Gewicht in der Theorie, dass „leiwa(u)nd“ von den Tuchhändlern kam, die im vorvergangenen Jahrhundert Textilien mit Lawendel gegen Mottenfraß imprägnierten, und mit dem eleganten, weil französischen Kaufruf „lavande“, verballhornt „lawand“, „leiwand“ priesen.

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