Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 44/2024 vom 30. Oktober 2024
Liebe Frau Andrea,
mit/in einem Mühlviertler Dialekt sozialisiert, hat das Wort einekrochn (reinkrachen) vor allem zwei Bedeutungen für mich: Die des Unfalls (zum Beispiel „angsoffn in die Mauer einekrochn“) oder die des Fäkalen (zum Beispiel „in die Windel einekrochn“). Zuletzt bestätigten aber zwei Wienerinnen, dass es für sie völlig normal sei, einekrochn als Wort für „(mit Elan) betreten“ (zum Beispiel „in den Hofer einekrochn“) zu verwenden. Bitte um Aufklärung!
Herzlichst
Anna Hackl, per Email
Liebe Anna,
der Krach und seine Verbalform krachen gehört zu den schallnachahmenden Wörtern. Es ist verwandt mit dem englischen crash, was dazu verführte, den Wall Street Crash des Jahres 1929 fälschlicherweise als Börsenkrach (im Sinne eines lautstarken Streits) und nicht als Börsenabsturz oder Kurszusammenbruch zu bezeichnen. Davon abgeleitet hat das Wienerische für die schlechte Wirtschaftslage Ausdrücke geprägt, wie „die Bank kracht“, oder „die Firma xy is krochn (krachen) gegangen“. Heroinabhängige auf Entzug sprechen lapidar davon, zu „krochn wia a Kaisersemmerl“.
Ungeachtet dessen hat die ursprüngliche, nämlich akustische Bedeutung des Krachens zu den von ihnen vorgebrachten Ausdrücken geführt. Wir kennen ähnliche Bezeichnungen des Lauten vom Kracherl (der beim Öffnen krachenden Limonade) und vom Kracher, dem irritierend lauten Knallkörper. Das Wienerische, redlich bemüht zu übertreiben (und zu untertreiben) nennt das normale Einfallen, Einbrechen, Eintreten in eine Örtlichkeit „Einekrochn“ (Reinkrachen). Das kann durchaus geräuschlos und ohne Beschädigung von Einrichtung stattfinden.
Um das Jahr 2008 hatte eine Kohorte Wiener Halbstarker namens „Krocha“ Konjunktur. Uniformiert in Röhrenjeans, Palästinenserschals und neonfärbigen Baseball-Kappen, entstellt durch Vokuhilas und Solariumüberdosen, leiteten diese ihre Nämlichkeit vom “Einekrochen”, dem Hineinkrachen in eine Großraumdisko ab, wo sie einem charlestonartigen Tanz huldigten, der krochaintern als Schranzen (von Schreien und Tanzen) firmierte. Erkennunsfloskel der Krocha war das heute noch bekannte “Bam, Oida!”