Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 43/2024 vom 23. Oktober 2024
Liebe Andrea,
neulich war ich zu Besuch im Schloss Schönbrunn und sprach mit einem Kurator dort über die Ausstattung eines der Räume. Kannst Du mit den Begriffen „Vikatin-„ oder „Feketinholz“ etwas anfangen? Sie kommen in Beschreibungen der Ausstattung des Schlosses Schönbrunns vor.
Beste Grüße,
Albrecht Czernin, Josefstadt, per Email
Lieber Cousin,
allem Anschein nach warst Du im sogenannten Millionenzimmer, benannt nach dessen angeblichen Herstellungskosten. Der exquisite Raum diente „Kaiserin“ Maria Theresia als Empfangszimmer, und war ursprünglich als „Kleines Spiegelzimmer“ eingerichtet. Diese Ausstattung wich um 1763/65 der heute noch existierenden exotischen Holzvertäfelung, die von goldene Rokoko-Kartuschen umrahmt, in sechzig Collagen das höfische Treiben der muslimischen Mogul-Kaiser darstellen, die im 17. Jahrhundert einen Großteil Indiens beherrschten. Die hier präsentierte Verbundenheit und Identifikation mit dem islamischen Orient verweist auf die idealisierte, wenn auch subversive Beziehung zwischen Wien und dem Osten.
Für den Kunsthistoriker Christian Witt-Dörring stammt die Aussstattung des Millionen-Zimmers aus einem Raums im Belvedere, der von einem Zeitzeugen als vollständig mit chinesischen Bildern bedeckt beschrieben wird. Die Charakterisierung darf nicht wörtlich verstanden werden, wurden doch im 18. Jahrhundert Bezeichnungen wie „China“, „Indien“ und „Türkei“ oft vertauscht und verwechselt. 1767 wurde der Raum in einem Hofzahlungsprotokoll als „Vicatin“-Kabinett bezeichnet. Der Hinweis auf Vicatin (oder Feketin) ist die erste Erwähnung des Holzes der Zimmerdekoration. Obwohl nicht geklärt ist, welche Etymologie im Begriff Vicatin/Feketin steckt, wissen wir aus zeitgenössischen Beschreibungen, dass damit eine Palisander-Variante gemeint war, die auch als Königsholz, oder (wegen seines Duftes) als Veilchenholz firmierte. Das Holz wuchs zwar in Brasilien, wurde aber über Guyana und die Niederlande gehandelt und wegen seiner, nur imperialen Monarchen zugedachten Exquisität auch „Chinesisches Holz“ und Chinesischer Polixander (Palisander) genannt.