Herbstfarben

Als Farben des Herbst werden in aller Österreichischkeit die vielen Schattierungen ersterbenden und tot vom Baum gefallenen Laubs verstanden. Trauriges Gelb, final aufloderndes Rostrot, fahles Erdbraun, und alles dazwischen. Dabei wird vergessen, dass Herbst, althochdeutsch herbist(o), englisch harvest, germanisch *harbista nicht den Blättertod benennt, sondern ganz im Gegenteil: Ernte bedeutet. Herbst, Erntezeit ist die Saison der Buntheit, der Früchte in allen Farben des Malkastens. Eine Ausnahme muss beklagt werden: Winterliches Weiß, die Farbe von Hansi Hinterseers Fell-Moon-Boots (und der Häkelhaube von DJ-Ötzi).

Die politische Symbolik Österreichs ergibt sich ganz den erntezeitlichen Farben. Das Heidelbeerblau der Freiheitlichen, das Mostapfelrot der Feuerwehr Traiskirchen, das Schwarz der Pfarrersoutanen und der bürgerlichen Grillkohle. Das Grün der Grünen, einst heimtückisch den Anhängern des Leopold Figl entwendet, könnte österreichischer nicht sein, von der Hochalm bis zum Bürogummibaum strahlt es uns gesund (und giftig zugleich) entgegen. Welche Erntefrucht aber trägt die stolze Farbe Pink? Die weitgereiste Kaktusfrucht Pitaya? Die hartschalige Litschi? Das Himbeerkracherl? Der Reparatur-Prosecco?

Ganz und gar ohne Erntebezug blieb die Kurzzeitfarbe Türkis. Aber nein doch, sagen Eingeweihte, nicht ganz untürkis sei der eine oder andere Kaktus, das Innere der Gurken und die stachelige Agave, Rohstoff für trauminduzierenden Tequila! Und schließlich: Die herbstliche Farbe des Attersees, bei günstigem Licht von privaten Seegrundstücken aus gesehen.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 16. September 2023.

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