Wie ringt man die Hände?

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 37/2023 zum 13. September 2023

Liebe Frau Andrea,
im Morgenjournal wird derzeit vom Personalnotstand in der Gastronomie berichtet. Immer wieder fällt die Formulierung, daß „händeringend“ nach Arbeitskräften gesucht wird. Was ist damit eigentlich gemeint, woher kommt dieser Begriff?
Bitte um Weiterhilfe. Danke.
Ingrid Heinz aus Altlengbach, per Email

Liebe Ingrid,
der Begriff selbst wird weithin verstanden und in floskelhafter Sprache synonym für drängend, eindringlich, flehentlich, inständig und sehnlichst  verwendet. Was aber ist das Ringen der Hände? Ein Beringen, also das Anstecken von Ringen kann nicht gemeint sein. Sehen wir nach im Deutschen Wörterbuch, dem großen Materialsteinbruch der Gebrüder Jacob und Wilhelm Grimm. Das Wort sei erst neuer gebildet, erfahren wir hier, früher sei, wie bei Lessing „mit gerungenen Händen“ verwendet worden, oder wie bei Goethe „mit (…) gefalteten, mitleidig gerungenen Händen.“ Das Bild gefalteter, bittender Hände wird sichtbar.
Das Zeitwort „ringen“, das wir aus der gleichlautenden Kampfsportart kennen, dialektal aus dem Rangeln, und das althochdeutsch noch ringan, altnordisch rengja (verdrehen, verfälschen), germanisch erschlossen wahrscheinlich *wreng-a lautetet, ist verwandt mit wringen (wie in auswringen) und renken (wie in einrenken und ausrenken), und bedeutet alles zwischen verwinden, krümmen, würgen, hin- und herbewegen, losrütteln, drehen, wenden.
Die gerungenen, gewrungenen Hände sind also bildlich gesehen die fest in einander gefaltenden Hände, die dabei eindrücklich geschüttelt werden, als rüttelten sie am Hals des Adressaten. Die gerungenen Hände sind gestisch mit dem inständigen Beten verbunden und in der Regel Ausdruck eines steilen Machtgefälles. Die Händeringenden ergeben sich bittstellend der Willkür der Angebeteten.
Im Falle der händeringenden, vergeblich nach Personal suchenden Gastronomen sehen wir eine polemische Verwendung des Bildes. Die Herzen der Angerungenen wären mit besseren Arbeitsbedingungen und höheren Löhnen wohl eher zu erweichen als mit falscher Metaphorik.

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