Lottoglück und Drahdiwaberl

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 34/2023 zum 23. August 2023

Liebe Frau Andrea,
seit längerem beschäftige ich mit dem Thema Kreisel und habe ein spezielles Stück in einer Innsbrucker Trödlerei entdeckt. Es wird als Drahdiwaberl bezeichnet. Der Korpus ist ein hohles Knochenstück mit ca. 10 parallel gearbeiteten Flächen, auf die Punkte in aufsteigender Reihenfolge aufgetragen sind plus eine Damenfigur mit einer Art Biedermeierkleid. Bisher konnte ich nur vage finden, daß es eventuell aus dem böhmischen Bereich die Kurzform Waberl für Barbara sein kann. Und weiters gehe ich davon aus, daß es als Wirtshausspiel sicherlich mit Regeln gespielt wurde. Die Wiener Band Drahdiwaberl hatte bestimmt auch einen Bezug zu diesem Namen. Ich würde mich sakrisch freuen, wenn Sie einiges dazu in Erfahrung bringen können.
Herzlichen Dank, eine treue Leserin.
Margit Mader, per Email

Liebe Margit,

die Generation Boomer verbindet mit „Drahdiwaberl“ die politisch-anarchistisch orientierte, Kultstatus genießende Hard-Rock-Punk-Kapelle des umtriebigen Wiener Zeichenlehrers Stefan Weber (1946-2018). Den Alterskohorten davor war das Drahdiwaberl (Dreh-dich-Waberl) als Kinder-Kreisel bekannt. Im Wienerischen (und wohl früher auch in den deutschsprachigen Regionen Böhmens) galt Baberl, Wawerl, Waberl als Koseform des Mädchennamens Barbara, ähnlich verhält es sich mit “Wetti”, nur unwesentlich schwerer als Babette zu erkennen.

Der von Ihnen gefunden Kreisel dürfte weniger als Spielzeug, denn als Ermittlungs-Werkzeug für Lottozahlen gedient haben und einen symbolischen Bezug zu jenen wahrsagende Frauen haben, die sich im biedermeierlichen Wien vor den Lottokollekturen herumtrieben um gegen Geld gewinnträchtige Lotto-Zahlen zu ersinnen. Als Glückswaberl bekannt standen sie in Bezug zu jenen, ebenfalls so genannten alten Frauen, die am sagenumwobenen Jungfernbründl im düsteren Sieveringer Wienerwald saßen und sich auf das Auslegen von geträumten oder im Wasser erblickten Nummern verlegt hatten, ursprünglich aber wohl vielbefragte Hydromantinnen waren, die an alten Quellheiligtümern die Kunst des Wasser-Wahrsagens betrieben.

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4 Gedanken zu „Lottoglück und Drahdiwaberl“

  1. Liebe Frau Andrea,
    alles sehr interessant, aber das echte Drahdiwabberl sitzt am Schornstein der Ottakringer Brauerei, ist auch im Logo.

    Liebe Grüße

    Günter Mayr

    1. Lieber Herr Mayr,
      der „Frosch von Ottakring“ am Darreturm der Ottakringer Brauerei ist zwar drehbar, imposant und logoproduktiv, für die Entstehung des Namens kommt er aber nicht in Betracht. Er wurde erst 1907 errichtet.
      Beste Grüße,
      Andrea Maria Dusl

  2. Anlassbedingt – Ihre Kolumne „Lottoglück und Drahdiwaberl“ in der Falter-Ausgabe 34/23 – mit leicht verdunkeltem Gemüt muss ich Sie in einem wesentlichen Detail korrigieren: Stefan Weber war kein „Zeichenlehrer“! Er unterrichtete an einer allgemeinbildenden höheren Schule den Unterrichtsgegenstand „Bildnerische Erziehung“ (und zudem auch „Werkerziehung für Knaben“). Da er im öffentlichen Dienst pragmatisiert war, wurde ihm auch der Berufstitel „Professor“ verliehen. Was er bei Auftritten, wenn die Crowd ihn bzw. seine Band zu Zugaben herausforderte, mit den skandierten Rufen „Stefan! Stefan! Stefan!“ würdevoll und verständlicherweise korrigierend mit „Professor Weber, bitte.“ dann auch zuließ.
    Mit dem Ersuchen, dies bei einer allfälligen nächsten bzw. weiteren Namensnennung zu berücksichtigen.

    Mit Dank dafür im Voraus,
    hochachtungsvoll

    Prof. Walter Stach

    1. Sehr geehrter Herr Prof. Stach,
      es liegt mir ferne Professoral-Personal zu düpieren. Als Absolventin zweier Wiener Zeichenschulen, der Akademie der Bildenden Künste und der Universität für Angewandte Kunst bin ich ja gewissermaßen Kollegin. Die Studierenden meiner Vorlesungen und Seminare an der Angewandten sprechen mich allerdings nicht mit meinem universitären Funktions- oder meinen akademischen Titeln an, sondern schlicht mit „Hallo“, „Andrea“ oder „Frau Dusl“. Warum die Zuschreibung „Zeichenlehrer“ kränkend für einen Bürgerschreck und Punk-Musiker ist, kann ich nicht ermessen. Als ich selbst in die Schule ging, mussten wir zu den Lehrern „Heaprofessa“ Und Frauprofessa“ sagen. Das war mir doch etwas unangenehm, denn das Wort „Professor“ war giftig. Herr und Frau sowieso, von mir aus Herr oder Frau Doktor oder Herr oder Frau Magister wären mir angenehmer gefallen. Niemals aber sprachen wir hinter dem Rücken spezifischer Kräfte von „Bildnerischen Erziehern“ und „Werkerziehern“.
      Bitte um Wahrnehmung!
      Beste Grüße,
      Comandantina

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