Als symbolträchtiges Messinstrument des Wettergeschehens gilt hierzulande das Wetterhäuschen. Es stellt ein alpines Kleinstfamilienhaus dar, schindelgedeckt, blumenkistlgeschmückt, mit Holzbrunnen, Randfichte, Fliegenpilz und vorbeigetrappeltem Jungreh. Eine Verquickung von Natur und Kultur. Aus zwei Eingängen kann das Trachtenpärchen hervortreten. Mechanisch bedingt immer alleine. Nur bei der Wetterlage „Veränderlich“ steht das Anzeige-Gespann in trauter Unschlüssigkeit nebeneinander in ihren Pforten. Das Weltpatriarchat hat die diskriminierende Tatsache noch nicht bemängeln können, dass die Wetterdame stets den Sonnenschein anzeigt, der Wetterherr indes den unbeliebteren Regen. Auch die LGBTQ-Gemeinde hat sich zur provokanten Normalität des Paargeschehens noch nicht geäußert. Schwule oder lesbische Wetterhäuschen wären gewiss ein Verkaufsschlager in städtischen Zirkeln.
Meist in Lederhose und Dirndl gewandet verhüllen die beiden Wetternhausbewohner die meteorologische Gewissheit, dass das Sonnenlicht und die von ihm aufgeheizten Luftschichten stets von sehr weit her kommen, der Regen traditionell aus dem nahen und fernen Ausland. Gemeinsam mit dem Wind, der als himmlisches Kind im Wetterhäuschen noch keinen familiären Widerhall gefunden hat.
Moderne Wetterhäuschen im vorherrschenden Provinzhausstil – knallgelbe oder blitzblaue Thermo-Fassade, Jalousiefenster, Car-Port und Sat-Schüssel am Solardach würden den Zeitgeist abbilden. Die Kitsch-Industrie wartet noch ab. Steter Tropfen höhlt den Schein.
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 19. August 2023.
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