Grewecherl und Grischbindl

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 31/2023 zum 2. August 2023

Liebe Frau Andrea,
ich habe letztens den Ausdruck „Krawäugl“ gehört, als Bezeichnung für einen kleinen oder schlecht gewachsenen Baum. Woher kommt der Begriff?
Liebe Grüße,
Eva Brantner, per Email

Liebe Eva,

in den 80erjahren des letzten Jahrhunderts war es nicht unüblich, den Begriff auf schmächtige Schickeria-Jünglinge zu beziehen, die sich sommers im „Krawa“ aufhielten, dem legendären, kieferngesäumten Freibad an den luftigen Hängen des Cobenzls. Krawa ist die Abkürzung von Krapfenwaldlbad, benannt nach dem Krapfenwaldl, und dieses nach dem Geheimen Kriegsrat Franz Joseph Krapf, der sich hier im 18. Jahrhundert ein Waldhaus hatte bauen lassen.

Tatsächlich finden wir die Wurzeln des Krawäugls, Grewegerls, Grewecherls ganz wo anders. Ob unser Begriff mit hartem K oder weichem G geschrieben wird, ist relativ egal, das Wienerische spricht beide Konsonanten gleich weich aus. Das Grewégal, Grewechal, ein schwächliches Geschöpf soll nach Expertenmeinung vom französischen crevé (krepiert, verreckt) und dem mundartlichen wech, weh (schwach) kommen. Die Wörterbuchbrüder Grimm kennen den Grebel, den körperlich oder moralisch hässlichen, ekelhaften, auch mageren Menschen. Sie berichten auch von der Verbform grêbelen, sich abscheulich, hässlich betragen. Ein beliebtes Synonym für das Grewecherl ist das Grischbindl, der magere, schwächlicher Mensch, der auch in der Kurzform Grischpal durchs Wienerische zieht. Der Spottname Grischbindl, Crispindl referiert auf Crispin, eine populäre Figur des Altwiener Volksstückes, der einen schwächlichen Schneidergesellen darstellt, aber ursprünglich eine Dienerfigur von charakteristisch magerer Gestalt aus der Commedia dell’Arte ist. Während „Grewecherl“ jede kümmerliche und bemitleidenwerte Lebensform aus Flora und Fauna bezeichnen kann, ist „Grischbindl“ nur auf den männlichen Wiener applikabel. 

Als Synonyme empfehlen sich Dsniachdl (Zniachtl), Dswedschgngrampus (Zwetschkenkrampus), Grepiarl (Krepierl), gsöchda Haring (geselchter Hering) und Jommagschdö (Jammergestell).


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2 Gedanken zu „Grewecherl und Grischbindl“

  1. Liebe Frau Andrea,

    mir hat Ihre Kolumne über die Crispindln et al sehr gut gefallen, eine Frage habe ich nur zum Viecherl im Betreff: ich habe „gsöchda Haring“ als mehr oder weniger spöttisch-liebevolle Bezeichnung für rothaarige Menschen im Ohr. Meine Omi mütterlicherseits (rothaarig, Jgg 1911) hat mir folgendes Sprücherl mit auf den Weg gegeben – ich bin selber auch rothaarig und hab’s geburtszeitlich etwas besser als meine Großmutter getroffen, die noch ziemlich gehänselt um nicht zu sagen verhöhnt wurde:
    „Roda roda Ringgingging, Feuer (Feier) brennt in Ottakring, Feuer brennt in Wahring, bist a gsöchta Haring“, demnach bekommt ein geselchter, geräucherter Hering wohl eine rötliche Farbe (?)

    Liebe Grüße, Dagmar Wollmann

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