Austrologie

Halbwegs verstehen wir hier in Österreich die Welt. Hie das Gut, da das Böse, hie die Unsrigen, da die Anderen. Manchmal irren wir uns und dann heißt es, irren sei menschlich, aber menschlich sind die Österreicher ja immer, Österreicherinnen sind da mitgemeint. Weiter oben, wo die Welt aufhört und der Himmel beginnt, das Firmament, der sichtbare Teil des Universums, liegen die Dinge schon anders. Liegen tun sie nämlich nicht. Sie schwirren umher. Langsam für unsere Wahrnehmung zwar, aber doch elend schnell. Mit den Sternen kennen wir uns nicht aus. Macht nichts, die Sterne kennen sich mit uns aus.

Die vermittelnde Instanz dieses Ungleichgewichts, die Sterndeuter, haben sich mit Beginn wissenschaftlicher Kompetenzerweiterung in Astronomen geteilt und in Astrologen. Erstere finden immer mehr Dinge über den Kosmos heraus, über Quasare und Supernovae, Dunkle Materie und Schwärzeste Löcher. Sachen die so groß sind und weit entfernt, jedenfalls aber so unerdenhaft, dass unser Begreifen ins Exklusive flieht. Anders die Astrologen. Sie wandeln berechnend und tabellenkundig durch den Planetenzoo, Bruder Mond und Schwester Sonne, und kennen sich bestens aus: Bei uns. Wissen, wann uns Unheil plagt und Liebesglück, Geldsegen heranrauscht oder Freundesbande zerreißen. Mit stabiler Würde wissen selbst Atheisten und Freunde wissenschaftlicher Redlichkeit alles und noch mehr über ihr Sternzeichen und ihren Aszendenten, und wer oder was wann dazu passt oder vermieden werden solle. Es stimmt österreichisch, dass es niemand gibt, der nicht täglich einen Blick in das poetische Medium Horoskop wirft. Im Sternenglauben sind wir eins.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 15. Juli 2023.

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