Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 28/2023 zum 12. Juli 2023
Liebe Frau Andrea,
anbei meine Frage vom Dezember letzten Jahres. Also ein halbes Jahr Bearbeitungszeit, das könnte in manch einem Magistratszimmer noch länger dauern, aber ich glaube schlichtweg, dass mein Mail verloren ging. Ich würde mich weiterhin sehr über Ihre Expertise freuen und hoffe, dass es vielleicht, auch wenn’s frech ist, nicht ein halbes Jahr dauern werden wird. Ich bin nämlich äußerst gespannt, woher das Wort kommt. Ich habe ein Wort in meiner Wienerfamilie gelernt. Es ist gebräuchlich, um das Schlagen und Verprügeln zu bezeichnen. Das bei uns gebräuchliche Wort heißt „bötzen“, also „jemanden bötzen“, oder „i bötz di nieder!“ Schreibt es sich bözn, bölzen, belzen? Ich weiß es nicht und freue mich von Ihrer Weisheit zu profitieren! Es würde mich sehr freuen!
Mit bestem Dank ein treuer Leser und endlich auch Fragender!
Christoph Hubner, per Email
Lieber Christoph,
ich versichere Ihnen, die Bearbeitungen in meinem Elfenbeinturm dauern länger als jene in den Magistratszimmern, auch gehen Mails niemals verloren. Wartezeiten sind bisweilen der Redlichkeit in der Recherche geschuldet.
Unser Wort kommt vom Fußball. Wie das Spiel selbst, das bekanntlich aus England stammt, sind auch viele Begriffe am grünen Rasen anglosächischer Herkunft. Goal, Corner, Out sind nur einige davon. Für erlaubte Bewegungsmuster am Ball ist das Verb „kicken“ zu uns übersiedelt. Deutsche und österreichische Fußballer haben für das raue Spiel das Synonym „bolzen“ etabliert, das ursprünglich das kräftig schlagen, hämmern und dadurch befestigen bedeutete und vom Bolzen, dem dicken Pfahl und festen Pflock kommt. Die Etymologen haben dazu ein indoeuropäisches *bheld- (pochen, schlagen) erschlossenen, verwandt mit *bhel- (schallen, reden, brüllen, bellen). Danach wäre der Bolzen in seiner vorgeschichtlichen Bedeutung ein „Holznagel“, benannt nach dem Schall beim Einklopfen. Richtigerweise müsste bolzen im Wienerischen boidsen heißen. Es hat sich aber mit dem Wort pölzen für das Abstützen von Mauerteilen und Grubenwänden vermischt.
Foul!
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Vielen Dank für Ihre Erläuterung!
Eine kurze Frage dazu. Bezieht sich Ihr, dass es im Wienerischen zur Verschmelzung von bolzen und pölzen kam, konkret auf den hier genannten familiären Fall, oder ist es im Allgemeinen zu dieser Verschmelzung gekommen? Also „eh“ im Wienerischen. Das ist mir auch nach zweifachen lesen nicht ganz sicherzustellen :).
Danke für auch diese zweite Erleuchtung und ich wünsche Ihnen einen zweiten Mittwoch pro Woche um uns mehr beizubringen!
PS: Ich las es gestern Freunden vor. Und einer fragte dann gleich mit Erstaunen: Woher weiß sie das immer. Hätten Sie hierfür vlt. Lektüreempfehlungen. Quasi das Starter-Kit für Wortarchäologen um die Heimbibliotheken aufzufetten.
Liebe Grüße!
Lieber Herr Christoph,
danke für Ihre Nachricht. Zu familiären Einzelfällen kann ich nichts sagen, weil die naturgemäß individuell sind. Ich versuche das Allgemeine dem Speziellen vorzuziehen.
Ein zweiter Mittwoch wäre lustig, wenn auch strapaziös. Ich plädiere für einen zweiten Sonntag.
Woher ich immer alles weiß? Ich weiß nicht immer alles. Ich forsche, ich recherchiere. Dabei hilft mir eine inzwischen recht gute Bibliothek und einiges an Erfahrung im Suchen und Finden. Als wortarchäologische Standardwerk des Wienerischen kann ich empfehlen:
Maria Hornung: Wörterbuch der Wiener Mundart.
(Unter Mitarbeit von Leopold Swossil), ÖBV Pädagogischer Verlag, Wien, 1998. 746 S.
ISBN-10 : 3215073471
ISBN-13 : 978-3215073472
Eine kleine Rezension: https://www.literaturhaus.at/index.php?id=3852
Auch hier finden Sie viel Ergötzliches:
https://woerterbuchnetz.de/?sigle=DWB#0