Blitzkunde

Buchen sollst du suchen, Eichen sollst du weichen. So lernte ich das schon in der Schule, allein, oben auf der Alm gab es weder das eine noch das andere. Und die halbe Kindheit wurde damit verbracht, die Frage zu erörtern, ob die Randfichte neben Nachbars Haus einen Blitz stärker anzöge als der Blitzableiter auf seinem Stadel. Die Dorfchroniken und Familienerzählungen sind voll von Berichten unvoraussehbarer Blitzeinschläge. Abgerauchte Telefone, verkohlte Fernseher, Großbrände. Und wäre ich kein blitzängstliches Kind gewesen, schriebe ich diese Zeilen hier nicht, denn da hätte mich ein Voltstoß aus dem Himmel schon 1971 erledigt, wo ich gegen den Rat des zuständigen Onkels nicht unter der Uferpappel verharren wollte, sondern ins sichere Haus flitzte. Der Onkel mir nach, um mir eine 70erjahre-Unbotmässigkeits-Watsche zu geben. Nur deshalb blieb auch er am Leben. Auf die Ohrfeige hat der Onkel vergessen, der Einschlag-Knall in der Uferpappel war zu laut.

Der Spruch mit den Eichen und den Buchen wäre längst zu ergänzen um das Besteigen von Güterwagons auf nächtlichen Bahnhöfen, das spassige Runterpinkeln von Fußgängerbrücken und das Herumgestochere im Sicherungskasten. Der österreichische Strom-Tod kommt nicht immer von oben. Auch die Basteleien an Elektro-Fahrzeugen und häuslichen Kleinkraftwerken werden die Sterbestatistik der Österreicher befüllen (Österreicherinnen sind diesmal nicht mitgemeint).

Bleibt der Blitz aus heiterem Himmel. Er möge uns nicht beim sprichwörtlichen Toilettenbesuch treffen. Karma verschone alle vor Elektronenunheil.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 1. Juli 2023.

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