Wie geht’s?

„Wie geht’s?“ ist die zentrale Frage, die man in Österreich stellen kann. „Wie geht es dir?“ wäre zu direkt, „wie geht es euch?“ zu umfangreich. „Wie gehts?“, ist die österreichische Frage. Knapper geht es nicht. Oder doch: „Geht’s?“

„Wie geht’s?“ ist die große Schwester der Frage „lebst no?“, lebst du noch?, die wir Freunden am Telefon stellen, wenn wir lange nicht mehr von ihnen gehört haben. Die Frage „lebst no?“, kann nur Gesunden gestellt werden, Kranke würde es beunruhigen, und Tote könnten sie gar nicht beantworten. „Wie geht’s?“ erwartet kein tatsächliches Zustandsbild, sondern die simple, weil unverfängliche, zwischen Hochgefühl und Niedergeschlagenheit verharrende Selbsteinschätzug „geht“. Ein österreichischer Dialog ginge mit der Gegenfrage weiter: „Und söwa?“ (und selber?). „Eh“, soviel wie: „weißt eh“, würde dann folgen und bestätigen, dass jede Frage nach dem Wohlergehen immer nur rhetorischer Natur ist. Weil in der österreichischen Frage schon die österreichische Antwort enthalten ist.

Die heimische Witz-Industrie hat den hier betrachteten General- und Begrüßungsdialog ins Überwirkliche, wenn auch politisch Unkorrekte gepiegelt. Mit dem bitterbösen Kalauer aus dem Schatzkästchen der polemischen Dialektik wäre auch der Momentan-Zustand der österreichischen Politik hinreichend und vollständig erhoben.

Der Witz geht so: Treffen einander ein Hatscherter und ein Blinder. Fragt der Blinde: „Wie geht’s?“. Antwortet der Hatscherte: „Sichst eh“.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 27. Mai 2023.

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