Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 19/2023 zum 10. Mai 2023
Liebe Frau Andrea,
in der Folge „über Tod und Musik“ des großartigen Podcasts von Klenk+Reiter verrät der Gerichtsmediziner Prof. Reiter, seine Lieblingsbezeichnung für den Tod wäre „Gagerl“ und mutmaßt, der Begriff käme davon, dass manche Menschen am Ende ihres Lebens defäkieren. Liegt er damit richtig? Ernst Moldens Lieblingswort für den Tod ist wiederum „Quiqui“, und ich bin sicher, Sie können auch die Herkunft dieses Begriffes erklären. Stimmts?
Liebe Grüße,
Johanna von der Deken, per Email
Liebe Johanna,
erst die schlechte Nachricht: Die Herkunft des Namens Quiqui für den Unausweichlichen ist noch nicht hinreichend geklärt. Falls der Quiqui, wie so vieles im Wienerischen, aus dem Rotwelschen (der Sprache der Gauner) oder dem Jenischen (jener der Vagabunden) kommt, wäre der abholende Endgesell der verdoppelte Qui oder Quin, Quien, wortgeschichtlich auf französisch chien und lateinisch canis, Hund, zurückgehend. Nach anderslautender Theorie und mit größerer Wahrscheinlichkeit kommt der Quiqui ebenfalls aus dem Romanischen, aber vom Fragewort quisquis. Im fünften Casus, Lateinern als Vokativ (Anredefall) bekannt, wird der Quisquis zum Quiqui. Der Quiqui ist also die Anredeform des sensenschwingenden Unbekannten und darf im Begegnungsfall mit „Wer auch immer Du bist!“ übersetzt werden. Als Urheber kommen Altwiener Lateinkundler und Cicero-Hermeneutiker in Frage.
Den „Gagerl“ gibt es im Wienerischen nicht, wohl aber den Gankerl, Gankal. Er ist die Koseform des bairisch-österreichischen Gankers, des Teufels. Die einen führen ihn auf bairisch Gan, Gahn, den Funken zurück, die andere auf altnordisch „gangari“, den Beinamen Odins, Wuotans, Wodans, womit auch unheimliche, feindliche Tiere bezeichnet werden. Der Wutgott wird nach Volksglauben bocksfüßig als Jäger verkleidet am abendlichen Waldrand gesehen, und in Hohlwegen, leichten Fußes vorüberschreitend. Der Gangari ist demnach nichts anderes als der Gänger, den wir auch als Wiedergänger kennen.
Wie immer hat das Theater das letzte Wort: Es hat uns ein bekanntes Synonym für den Tod geliefert: Den Abgang.
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Liebe Frau Andrea,
im französischen Argot beschreibt bzw. beschrieb man mit dem Wort „Quiqui“ Fleisch- und Knochenreste, aus denen Lumpensammler Suppen anfertigten, die sie dann den Wirten weiterverkauften. Vielleicht eine Erklärung für den Begriff in Ihrer Kolumne?…
• KIKI, QUIQUI, subst. masc. et adj.
I. − Subst. masc.
A. − [Sous la forme quiqui] Arg., vieilli. Abattis de volaille, rognures et résidus de boucherie dont les chiffonniers font des bouillons ou qu’ils revendent aux restaurateurs à bon marché (d’apr. Delvau 1866; Rigaud, Dict. jargon paris., 1878; France 1907).
In: https://www.cnrtl.fr/definition/quiqui
Danke für die stets interessante Kolumne!
Claude Manac’h, irgendwo zwischen Sprachwissenschaft und Subkulturen