Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 07/2023 zum 15. Februar 2023
Liebe Frau Andrea,
nach der langen Veranstaltungspause war die Tanzlaune beim Ballbesuch neulich wild entfacht. Zu später Stunde, als die Fußballen der Damen bereits brannten, zeigten auch die Frisuren der Herren Ermüdungserscheinungen: Giftschipperl! Oder Schieberl? Tschipperl? Was wird geschoben oder gechippt?
Bitte um Beistand.
Pamina Hofstädter, Wien, per Email
Liebe Pamina,
das Wienerische kennt viele Wörter für das Haupthaar und seine Frisuren. Wir erinnern uns an die Locken, die Fußball-Legende Herbert Prohaskas Spitzname „Schneckerl“ erzeugt haben. Langes Herrenhaar firmiert in Wien als Fedan (Federn), im Falle nachlässiger Pflege auch als Dsodn (Zotten). Als Uhudl (kleiner Uhu) wird die Person mit zerzauster, kurzer Frisur bezeichnet. Die Bezeichnung Schdochcheschwein (Stachelschwein) verspottet Zeitgeistteilnehmer mit Stehfrisur. Die vom Pudelscheara (Pudelscherer, also Friseur) erzeugte Variante ist die Áufschdöfrisúa (Aufstellfrisur), auch hoche Wiesn (hohe Wiese) genannt. Der Bemsdl (vom mittelhochdeutschen bensel, Pinsel) bezeichnet eine Frisur ähnlichen Aussehens. Biadsaga (Bierzeiger) ist eine zerraufte Frisur, die dem hexagrammartigen Hauszeichen der Bierbrauer ähnelt. Die Redensart „D’Hoa Fiésko schneidn“ (die Haare kurz schneiden) wird nicht mehr verstanden, kommt sie doch von der Haartracht des genuesischen Verschwörers Fiesco aus Schillers Trauerspiel.
Von Prohaskas Schneckerl sprachen wir bereits, die Damenschaft kennt eingedrehte Haarlocken als Wuckal. Hier hat sich die Einlage, über die das Haar gedreht hat, der Wickla (Wickler) mit dem Französischen boucle, Schnalle, Erhebung, Haarlocke verbunden. Gschniglde (geschniegelte) Haare sind mit Pomade an den Kopf gelegt.
Wir nähern uns der späten Ballfrisur Ihrer Begleiter. Der Schippe, Schiwe, auch Dschippe hieß noch im Mittelhochdeutschen Schübel, Schubel, und ist verwandt mit Schober und dem Verb schieben. Das oder der Gifdschippe, Gifdschiwe (Giftschippel) schließlich ist das Haarbüschel, das am Hinterkopf auffällig und giftig in die Höhe steht.
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