Superkleber für Alle

Autofahrer und Museumsdirektoren haben es nicht leicht. Besonders dieser Tage. Haben sich doch zwei Dinge zusammengetan, die seit jeher Stoff für Debatten boten, Grund für Unruhe waren, Auslöser von Freud und Leid. Wir sprechen vom Kleben und wir sprechen vom Protest. Protest hatte es besonders schwer in Österreich. Davon konnten die Protestanten des Landes einst traurige Lieder singen, Bauernaufständler, Revolutionäre aller Art. Protest wird in Österreich traditionell niedergeschlagen: „Wo kämen wir dahin“ ist der Leitspruch zum Thema.

Mit der anderen Sache, dem Kleben, hat Österreich eine sanftere Beziehungsgeschichte. Viele Jahrzehnte lang, fast die gesamte Geschichte des postalischen Frankierens hindurch hatten wir Gummi Arabicum auf den Zungen, nicht gefährlich war das, aber unschmackhaft – Briefmarken wurden traditionell abgeschleckt. Die Erfahrung verführte Schulkinder der modernen Klebstoff-Generationen zum Lutschen von „Pick“ aus Tuben und Sticks. Eltern und Lehrer der Boomer waren, nunja, nicht erfreut. Klebstoffsschnüffeln wurde irgendwann mal schnell zur Droge für junge Unterfinanzierte. Der Markt reagierte mit wasserlöslichem Kinderkleber. Zuletzt fiel Klebstoff unangenehm auf, weil die Briefwahlkuverts zur Bundespräsidentschaftswahl nicht sicher verschlossen werden konnten, und diese Entdeckung eine Wahlwiederholung notwendig machte.

Es war nur eine Frage der Zeit, dass sich Protest und Kleben auf ein, wie man sagt, Packl hauten, und ältere Formen ablösten: Das sich Anketten (Hainburg), das sich Einbetonieren (Stadtstraße). Jetzt ist Ankleben dran.

Superankleben.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 28. Jänner 2023.

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