Hinfallen wie der Fritzebub

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 04/2022 zum 25. Jänner 2023

Liebe Frau Andrea,
der Waldviertler Großvater (70) meiner Kinder (2 und 4) weist die Kleinen gerne darauf hin, dass sie bei weiter beibehaltener Laufgeschwindigkeit demnächst einen „Ofritze“ hinlegen werden. Mir als Oberösterreicherin ist dieser Begriff gänzlich unbekannt.Mit der Bitte um Aufklärung verbleibe ich mit tränentrocknenden Grüßen,
Tamara Theil, per Email

Liebe Tamara,

möglicherweile ist die Kenntnis des von Ihnen mitgebrachten Ausdrucks weniger der innerösterreichischen Geographie geschuldet, denn der Alterskohorte der Sprechenden. Der Endpunkt fallenden Laufens, den wir hier betrachten, mündet in eine Figur, die wir umgangssprachlich auch als „Stern“ kennen. Das dazugehörige Bewegungsmuster ist aus dem Skisport als „Sternreissen“ bekannt, das Wienerische sagt zu einem Sturz dieser Art, es habe jemand aufgsdrahd (aufgestreut) oder aufbladld (aufgeblättert).

Besagter „Ofritze“ (eigentlich „O. Fritze“), der nach Diktion des Großvaters Ihrer Kinder „hingelegt“ werde, heißt in gängigerer Version „Fritzelack“. Der Ausdruck referiert auf ein legendär-populäres Werbesujet der rennomierten Lack-Firma O. Fritze. Es zeigt einen Lehrbuben, der gerade auf einem Bretterfußboden nach vorne gefallen ist, alle Viere von sich gestreckt, gestraft mit dem Zusatz-Malheur aufgesprungener und am Boden ausgeronnener Lackdosen.

Schöpfer des Motivs war der vielbeschäftigte Maler und Illustrator Adolf Karpellus, Sohn eines österreichisch-ungarischen Armee-Offiziers. Adolf Karpellus entwarf das Markensujet (Firmenintern „Fritzebub“ genannt) 1908 für die 1876 gegründete Hetzendorfer Lack-, Farben- und Firniß-Fabrik des Berliner Ölfarbenfabrikanten Otto Fritze.

Die innere Metaphorik des Bildes wies dem Lehrbuben den Vornamen Fritz zu, das Wortspiel der beiden Bedeutungen Lacke, singular (für Pfütze) und Lacke, plural (im Sinne von Oberflächenfarbe) verstärkte den poetischen Ansatz des Markenbildes. Schnell und nachhaltig wurde aus dem Sturzunfall des Lehrlings der Firma des O. Fritze der „Fritzelack“, das Wort für spektakuläres Hinfallen.

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