Das österreichische Büro ist ein moderner Ort mit unmoderner Herkunft. Seine Nämlichkeit bezieht es vom Französischen „bureau“ (die Anglosachsen sagen ja „office“ dazu). Im Lande Voltaires und Jean-Claude Killys verstand man darunter erstmal den Schreibtisch und erst später auch dessen Aufstellungsort. Urprünglich beschrieb das Wort gar Textiles, nämlich den groben Wollstoff, den die mittelalterlichen Mönche auf ihre Holztische legten, um diese vor Tintenflecken und Kerzenwachs zu schützen. Die anderen Schreibtischarbeiter, die ein (lateinisch so genanntes) burellum brauchten, waren die Geldwechsler, wohl um das derbe Klingeln der Münzen zu dämpfen und deren Wegrollen zu verhindern.
Ohne jegliche Ahnung dieser sprachlichen und kulturhistorischen Zusammenhänge hat das österreichische Büro diese ursprünglichen Widmungen beibehalten. Merke: Ein Büro ohne Tische ist ein Warteraum, ein Zimmer mit Tischen, auf denen niemand schreibt, eine Wirtsstube. Man könnte nun einwenden, auch eine Schulklasse wäre ein Büro, schließlich gäbe es dort Tische, auf denen geschrieben würde (und kaum gegessen). Stimmt, könnte man antworten, wäre da nicht die andere Eigenschaft des Möbels und seiner längst gleichlautenden räumlichen Umgebung. Ist doch ein Schreibtisch erst dann ein Bürotisch, wenn darauf nicht nur geschrieben, sondern auch Geld verdient wird, Geld gewechselt oder welches verloren.
Wir verstehen, warum das Österreichische für den Raum schreibendes Sitzens und sitzenden Schreibens traditionell andere Begriffe verwendet. Amtsstube, Ordination, Kanzlei, Praxis, Sekretariat, Leitstelle.
Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 14. Jänner 2023.