Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 01.02/2022 zum 11. Jänner 2023
Liebe Frau Andrea,
vor Weihnachten haben Sie total Wichtiges über die Würstel am Wiener Würstelstand berichtet und eine Nachfolgefrage zu Würzung, Beilagen und Getränken vorgeschlagen. Ich möchte dieser Nachfolgefrager sein!
Liebe Grüße und Gutes (nein: besseres) Neues Jahr,
Bertram Rüscher, Hörbranz und Wien-Neubau, per Email
Lieber Nachfolgefrager Bertram,
die Wurst ist nur ein Teil der Darreichungen des Extremnahversorgers Würstelstand. Die Wahl von Würzung und Beilagen ist der einzige Moment in der Beziehung zwischen Würstelmann und Würstelstandbesucher, in dem so etwas wie ein Dialog stattfindet. Die Fragen sind einfach: „Siaß oda schoaf?“ (gemeint ist Senf aka „Kinderschas“), „Brod oda Semme?“ Brot ist immer dunkel und wird als „Kitt“ (wegen seiner Plastizität) und „Kantn“ (wegen seiner Rinde) gehandelt, oder als „Scherzerl“ und „Bugl“ (Buckel), wenn es sich um den Brotanschnitt handelt.
Curry und Mayo gelten trotz Berlinsympathie der Wiener als verpönt. Ketchup heißt „Bluad“ (Blut), und hat keinen viel besseren Ruf. Dafür gibt es den sauren Reichtum des Eingelegten zu entdecken: „Russen“ (marinierte Heringe), „Mottenkugeln“ oder „Kronjuwelen“ (Perlzwiebeln). Pfefferoni sind in den Varianten „ölich“ und „schoaf“ zu bekommen. Erstere firmieren wegen ihrer länglichen Form als „greane Mamba“ (grüne Mamba), zweitere wegen ihrer Sekundärwirkung als „Oaschpfeiferl“. Salzgurken bestellt man, in Anspielung auf ihre Haut, als „Grogodü“ (Krokodil). Kleinere Gurkerl heißen „Adagsl“ (Eidechserl).
Getränke werden am Würstelstand nur in geschlossenen Gebinden abgegeben. Wein gibt es in kleinen Fläschchen, „Stifterl“ genannt. Cola firmiert als „Kinder-Fernet“, für Magenbitter-Konsumenten stehen Ampullen mit Underberg und Jägermeister zur Verfügung. Dosenbier firmiert als „Aluweckerl“ oder „Blech“. Kein Wiener Würstelmann wird sich allerdings allzu sehr gegen die Bestellung einer simplen „Dosn Bia“ oder einer „Hü’sn“ (Hülse) stemmen. Flaschenbier heißt „Lutscha“ (Lutscher), denn Gläser gibt es am Würstelstand keine.
comandantina.com dusl@falter.at Mastodon: @Comandantina@mastodon.social post.news/comandantina
Hier muss ich aber eine Ergänzung, die Getränke betreffend, anbringen.
Ich kenne zumindest 2 Stände in Wien, wo es auch offene Getränke mit den entsprechenden Gläsern gibt. Und das werden sicher nicht die einzigen in Wien sein. Ihr Kollege Florian Holzer kennt aber sicher mehr davon.
Beste Dank für diesen wertvollen Hinweis!