Gute Vorsätze

Das Neue Jahr ist für die österreichische Seele ein Neuanfang. Ersehnt, erhofft, erwartet. Schicksale und Möglichkeiten werden auf Null gestellt. Aber wie alles im österreichischen Leben ist auch der Neuanfang trügerisch. Schlimmer noch. Es gibt keinen Neuanfang. Nur das Datum ändert sich mit dem Läuten der Pummerin. Und Hand aufs österreichische Herz: Ändert sich das Datum nicht täglich? Wöchentlich? Monatlich? Aber der Sonnenlauf, aber das Kürzerwerden der Nächte, rufen die Mystiker. Paperlapapp, antworten die Astronomen, schon am 21. Dezember hat der Trubelplanet den Scheitel der Kurve genommen.

Bleibt das Brauchtum. Das Brauchtum irrt niemals und es sagt, das Neue Jahr berge neue Hoffnung. Hoffnung aber braucht Planung. Die Blaupause dafür nennen wir Vorsätze (damit es besser klingt: Gute Vorsätze). Der beliebteste Vorsatz wendet sich gegen die Beleibtheit: Abnehmen heißt er, und er nährt sich aus der Erfahrung, dass Weihnachten die Kilos hinaufschnellen läßt (Veganer sind mitgemeint, lässt es sich doch auch von Kartoffeln und Körnerbrei trefflich zunehmen). Der zweitbeliebteste Vorsatz ist österreichweit der Wunsch, mit dem Rauchen aufzuhören, gefolgt vom ewigen Dritten, die beiden erstgenannten Vorsätze ließen sich doch länger als eine Woche durchhalten.

Tatsächlich keimt jede österreichische Vorsatzhoffnung in der Gewissheit, dass es Besseres gibt als Gute Vorsätze. Durchhalten ohne Leid. Freude ohne Gewissen. Lust ohne Scham. Österreich ohne Österreich. Das wäre dann doch zuviel des Guten. Zuviel der Schmerzlust. Zuviel des Wunschglücks. Zuviel des Neuen.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 7. Jänner 2023.

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