R.I.P. Vom trügerischen Ruhen in Frieden

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 45/2022 zum 9. November 2022

Liebe Frau Andrea,
jetzt war das Internet ganz voll von Erschütterung über das Ableben von Red-Bull-Milliardär Mateschitz. Selbst Linke und Atheisten posteten zumindest RIP. Und jetzt sagt eine Freundin, man solle das unterlassen, wenn man die wahre Bedeutung des Kürzels nicht kenne.
Jetzt bin ich verwirrt,
Franz Thalhammer, Ampflwang, per Email

Lieber Franz,

das beliebte Kurzwort ist aus den Anfangsbuchstaben der lateinischen Grabsteininschrift „Requiescat in pace“ gebildet und bedeutet „er, sie ruhe in Frieden“ Die Formel wird traditionell R.I.P., neuerdings RIP geschrieben und lässt sich auch in anderen Sprachen akroymisch darstellen, so im Englischen (Rest in Peace) im Französischen (Repose en paix) und im Italienischen (Riposi in pace). Schon im Spanischen versagt die Buchstabenkombination, dort hält D.E.P. (descanse en paz) die Stellung. Ein deutsches R.I.F. (Ruhe in Frieden) indes bliebe weitgehend unverstanden.
Grammatikalisch gesehen ist „requiescat“ die 3. Person singular, präsens, aktiv, subjunktiv (was in etwa dem Konjuktiv im Deutschen entspricht). Das zugrundeliegende Zeitwort „requiescere“ [korrigiert] ist seinerseits zusammengesetzt und bedeutet wörtlich „wieder ruhen“, eigentlich „wieder still sein“. Insgesamt wäre also RIP mit „er, sie möge wieder still sein“ zu übersetzen.

Im christlichen Verständnis verbindet sich mit der Formel R.I.P. die Gebetsbitte, die Seele des/der Angesprochenen möge im Jenseits Frieden finden. Sie verbirgt den dahinterliegenden, weit wichtigeren Wunsch, dass nämlich der physische Körper des/der Verstorbenen friedlich, das heißt ungestört, ungeschändet im Grab liegenbleiben möge. Soll doch die Seele, beim Tod vom Körper getrennt, am Jüngsten Tag wieder mit diesem vereint werden. Wer also R.I.P. in Kenntnis dieser Zusammenhänge verwendet, geht von der Möglichkeit einer Grabstörung aus und verwendet die Abkürzung als magische Formel, ebendies möge unterbleiben. Moderne Friedhofsordnungen mit Grabauflösungen, Umbettungen und Zusammenlegungen widersetzen sich diesem Wunsch, sind sie doch ökonomischen Zwängen unterworfen.

Ruhender Friede kostet.

comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

4 Gedanken zu „R.I.P. Vom trügerischen Ruhen in Frieden“

  1. Liebe Frau Andrea,

    als Latein-Lehrerin muss ich hier Folgendes anmerken: Bei „requiescat“ handelt es sich nicht um einen Subjunktiv, sondern um einen Jussiv. Das ist eine besondere Form des Konjunktivs Präsens, also eine Aufforderung an die 3. Person Singular, und wird übersetzt mit „er soll ruhen“. Im Infinitiv heißt das Wort außerdem „requiescere“ und nicht „requiescare“.

    Liebe Grüße,
    Laura Wagner

  2. Sehr geehrte Frau Dusl,

    mit Interesse habe ich Ihre Kolumne Über „R.I.P.“ gelesen.

    Ich möchte Sie aber auf einen Fehler aufmerksam machen: Das zugrunde liegende Verb heißt nicht „requiescare“, sondern „requiescere“ – konsonantische Konjugation! Requiescat – Konjunktiv.

    Mit freundlichen Grüßen

    Hildegard Winkel

    1. Ich danke den Kolleginnen Laura Wagner und Hildegard Winkel für Ihre Korrektur-Vorschläge und verpreche beiden: Ich werde mich bessern!
      AMD

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