Herbstfarben

Von allen Jahreszeiten hat es der Herbst am schwersten. Nicht weltweit, aber in Österreich. Der Frühling glänzt mit Aufbruchstimmung und dem Wiederergrünen der Natur, Triebe sprießen, alles wächst, Amor verschießt seine Pfeile. Der Sommer hat den Ferienbonus, Sonne, Strand, Gelato, und allen Hitzewellen zum Trotz profitiert er von der Überlänge der Tage. Das freut die Frühaufsteher und die Freunde romantischer Sonnenuntergänge. Die Neigungsgruppe Grillabend sowieso. Wem die Jahresmitte inzwischen zu heiß ist, denkt in wehmütiger Nostalgie an Rudi Carrell und an den „Sommer, wie er früher einmal war“. Den Winter muss man Östereichern auch nicht extra schönreden (die Österreicherin ist wie immer mitgemeint), der Winter ist die alpine Großzeit. Im Winter gewinnt Österreich, im Winter regieren wir, denn im Winter liegt der Schnee. Und liegt er nirgendwo, dann liegt er auf den Pisten.

Den Herbst indes mögen nur die Wenigsten, ist er sonnig und warm, spricht man von Spätsommer, niemals vom Hochherbst, nebelt es schon zeitig, oder schneibt es hinab bis ins Tal, heißt der Herbst „früher Wintereinbruch“. Wir kennen das, Schneekettenpflicht auf höher gelegenen Straßen. Und die Verbindung Lech-Warth ist gesperrt. Zudem huldigt der Herbst der Düsternis. Mit Zeitumstellung, Allerseelen, Allerheiligen, und dem Fasching der Untoten, dem Geisterfestspiel Halloween. Der Herbst ist neuerdings Coronas Lieblings-Saison. Wenn sich die Herbstwellen aufbäumen und die Spitäler überquellen.

„Goldene Jahreszeit“, sagen die Kalenderspruch-Poeten. Die Poetinnen sind auch hier mitgemeint.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 5. November 2022.

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